Seite 3: Frauen über Sexismus: Activision Blizzard ist nur die Spitze des Eisbergs

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Spieler = Männer

Kein Grund für Jubel also. Zu durchwachsen ist die Spielekultur insgesamt vom Bild, dass Spielen grundlegend männlich sei. So sieht das auch Kim Belair. Die hat als Writer und Narrative Designer lange für große Studios wie Ubisoft, Rocksteady, Square Enix und Valve gearbeitet, bis sie sich 2018 mit ihrem eigenen, »black- and queer-owned« Studio Sweet Baby Inc selbstständig gemacht hat:

»Das Problem ist, dass die Branche historisch gesehen eine Tradition der weißen, cis-männlichen, heterosexuellen Dominanz hat.« 

Das Vorurteil: Frauen und Spiele passen einfach nicht zusammen. Nicht so wie Männer und Spiele. Diese Rollenbilder stecken noch immer in vielen Köpfen. Meint auch Lea Schönfelder. Die Designerin hat unlängst das Indie-Studio Fein gegründet, das sich auf Casual Games für Frauen spezialisiert: »Ich habe viele (männliche) Game Designer gehört, die sich damit brüsten, schon seit ihrer Kindheit, oft mit ihrem Papa, Computerspiele zu spielen.« Die Botschaft: »Ich verstehe etwas vom Spielen«. Zwischen den Zeilen: Und du als Frau nicht. 

»Leider reproduziert das vor allem die Art Entwickler, die es schon gibt«, meint Schönfelder. Das Problem dabei:  »Menschen auf ein Podest zu stellen, die schon immer Computerspiele gespielt haben, verhindert neue Impulse.« Verkrustete Rollenbilder halten sich. Und befeuern toxische Arbeitskulturen. 

Kim Belair hat lange für große Studios wie Ubisoft, Rocksteady, Square Enix und Valve gearbeitet, bis sie sich 2018 mit ihrem eigenen, »black- and queer-owned« Studio Sweet Baby Inc selbstständig gemacht hat. Kim Belair hat lange für große Studios wie Ubisoft, Rocksteady, Square Enix und Valve gearbeitet, bis sie sich 2018 mit ihrem eigenen, »black- and queer-owned« Studio Sweet Baby Inc selbstständig gemacht hat.

Aus Sicht der Frauen in der Videospielindustrie: Die größten Missstände

Wo liegen aus Sicht der Betroffenen die größten Probleme? Die Antworten auf unsere Frage zeigen – die Missstände reichen tief: »Zwar ist der Anteil der weiblichen Beschäftigten gestiegen. Wir beobachten aber weiterhin eine ablehnende Haltung, Frauen auch in Führungspositionen zu besetzen«, so Kate Edwards. 

Die einleitend erwähnten dreißig Prozent Anteil weiblicher Beschäftigter sei irreführend, denn: »Diese Frauen sind nicht in den Ingenieurs- und Management-Positionen zu finden – das muss sich ändern.« Auch Kim Belair sieht ein strukturelles Problem: »Das Hauptproblem liegt in Strukturen, die neue und marginalisierte Stimmen systematisch aus der Branche und den Zimmern heraushalten, in denen die Entscheidungen getroffen werden.« Im schlimmsten Fall wird noch den Marginalisierten selbst die Schuld gegeben. Lea Schönfelder dazu: 

»Ich begegne immer wieder dem Argument, Frauen hätten grundsätzlich weniger Interesse, Verantwortung zu übernehmen.« 

Der niedrige Frauenanteil in den oberen Ebenen sei angeblich darauf zurückzuführen, dass die Frauen eben selbst nicht wollten: »Das ist meiner Meinung nach ein Vorurteil und deckt sich nicht mit den Wünschen, die ich von Frauen in der Branche kenne«. 

Lea Schönfelder hat das Indie-Studio Fein gegründet, das sich auf Casual Games für Frauen spezialisiert. Lea Schönfelder hat das Indie-Studio Fein gegründet, das sich auf Casual Games für Frauen spezialisiert.

Ganz ähnlich bewerten das Lena Fischer und Simone Lackerbauer, Project Lead und Project Manager Games bei WERK1.Bayern GmbH (Games/Bavaria) auch für den deutschen Markt: »Es muss ein generelles Umdenken stattfinden bei allen Beteiligten. Scheinargumente wie ›Es gibt einfach nicht genug gute weibliche Spielemacherinnen‹ sind Fehlschlüsse.« Denn: Es ist genau umgekehrt: »Es gibt einfach nicht ausreichend gute Rahmenbedingungen, dass junge weibliche Talente sich angstfrei ihren Weg in die Branche erarbeiten können.« 

Lena Fischer Lena Fischer ist Project Lead Games bei WERK1.Bayern GmbH (Games/Bavaria).

Simone Lackerbauer Simone Lackerbauer ist Project Manager Games bei WERK1.Bayern GmbH (Games/Bavaria)

Wunschtraum: Angstfreies Arbeiten

Angstfreiheit – eine vermeintliche Selbstverständlichkeit am Arbeitsplatz, von der viele in der Videospielbranche beschäftigte Frauen nur träumen können. Nathalie Lawhead, vielfach ausgezeichnete Net Artist und Game Designerin, die selbst mehrfach Zielscheibe von Belästigung und Bedrohungen wurde und 2019 Schlagzeilen machte, als sie den bekannten Skyrim-Komponisten Jeremy Soule der Vergewaltigung bezichtigte, berichtet uns von ihren Erfahrungen: 

»Es herrscht eine generelle Zurückhaltung, Opfer von Missbrauch tatsächlich zu unterstützen. Man hört sich die Geschichten an, stellt fest, dass jemand aus dem eigenen beruflichen Kontext toxisch oder gewalttätig ist und macht dann aber weiter wie davor. Man arbeitet sehenden Auges weiter mit dem Täter.« 

Das Problem sind also nicht nur diejenigen, die Gewalt ausüben. Sondern all jene, die es wissen, aber schweigen. »Es ändert sich nichts, solange wir die Anwesenheit von Tätern entschuldigen, als wäre sie ein notwendiges Übel.« 

Zu oft, so Lawhead, ist es das Opfer, das am Ende gehen muss, nicht der Täter. So wie im Fall von Kathy Sierra. Oder von Miranda »Super Yan« Pakozdi. Oder der Cosplayerin Christina Sprankle. Besonders schmerzhaft: Mehr als »Lippenbekenntnisse und heiße PR-Luft« seien sie oft nach wie vor nicht, die hehren Versprechungen der Branche zu Diversität, Inklusion, Aufarbeitung und Sanktionsmaßnahmen, meint auch Nina Kiel. So wie bei Activision Blizzard. 

Die Cosplayerin Christine Sprankle setzt 2017 ihre Karriere aus – wegen ständiger sexueller Belästigung. (Quelle: Facebook) Die Cosplayerin Christine Sprankle setzt 2017 ihre Karriere aus – wegen ständiger sexueller Belästigung. (Quelle: Facebook)

Der Konzern hinter Call of Duty und World of Warcraft fährt öffentlich eine Null-Toleranz-Politik. Doch jüngst geriet CEO Bobby Kotick selbst in die Kritik, da er von Übergriffen gewusst und sogar selbst Frauen belästigt haben soll. Trotz angeblicher Null-Toleranz-Politik. So setzt sich eben jene toxische Kultur weiter fort, die man der Negativschlagzeilen wegen offiziell verurteilt. Für Nina Kiel steht fest: »Solange klar ist, dass bei Übergriffen – wenn überhaupt – nur überschaubare Konsequenzen zu befürchten sind und männliche Vorgesetzte die Täter decken, kann sich nichts ändern.« Solange bleibt das angstfreie Arbeiten für Frauen ein Wunschtraum.

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