Holzfäller Siegfried ist stolz: Die letzten fünf Bäume sind umgehauen, ein Karren karrt die fünf Stämme ins Lagerhaus an der Küste. Das dürfte jetzt voll sein, denkt sich Siegfried, und schlappt dem Karren hinterher, um die Ankunft des Transportschiffs abzuwarten, das sein Tagewerk auf die Hauptinsel bringen wird. Und er wartet. Und wartet. Und wartet. 29 Minuten lang.
Dann materialisiert urplötzlich das Segelschiff, dockt am Kontor an, lädt 40 Milchkannen ab - und segelt wieder davon. Leer! Über Siegfrieds Holzfällerhütte erscheint ein hüpfendes Ausrufezeichen, sie ist voll, das Lager auch. Siegfried stellt grummelnd die Arbeit ein und schnappt sich einen Dockarbeiter: »Hat der Kapitän mein Holz vergessen? Und warum bringt der ausgerechnet Milch? Hier wohnt doch niemand, das ist eine Produktionsinsel! Bier, okay, aber MILCH?« Der Dockarbeiter zuckt mit den Schultern: »Aus welchem Jahr bist denn Du gefallen? Aus 1404? Das Schiff kann halt nur 40 Einheiten pro Hin- und Rückfahrt laden. Und die Milch brauchen wir, um die Nebelwand dahinten loszuwerden! Aber keine Panik, Bier kommt in ein paar Tagen auch noch.« Ein paar Tage? Siegfried ist entsetzt. Haben diese verfluchten Seeleute denn keine Arbeitsmoral?
Tja, Siegfried, uns ist es da nicht anders gegangen. Wer das erste Mal das Free2Play- Browserspiel Anno Online anwirft, findet sich gleich in vertrauten Gefilden wieder. Wir errichten auf der Hauptinsel einen Marktplatz, die ersten Bauernhäuser, eine Holzfällerhütte, wir legen erste Wege an. Schicken schon mal ein Schiff los, um ... Schiff? Hallo? Schihiff? Fehlanzeige: Es gibt gar kein Schiff, das können wir vielleicht in ein paar Tagen bauen. Denn in Anno Online müssen wir uns tempomäßig extrem umstellen, im Vergleich zu den »richtigen« Annos spielt sich die Browser-Variante wie mit angezogener Handbremse. Die können Sie zwar lösen - aber nur für viele, viele Euro. Doch dazu später mehr.
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Die Ruhe weg
Grundsätzlich spielt sich Anno Online also wie die bisherigen Serienvertreter: Unsere Bevölkerung besteht anfangs aus Bauern, wir besorgen ihnen Fisch, Milch und eine Kapelle, sie steigen zu Handwerkern auf, dann Kaufleuten, schließlich zu Adeligen. Weil wir nicht alle gewünschten Rohstoffe auf unserer Hauptinsel kriegen, müssen wir auf anderen Inseln zum Beispiel Hanf abbauen, Kräuter oder Sole. Letztere holen wir aus einem Bergwerk, gewinnen Salz daraus, das wiederum eine Gerberei braucht, um Tierhäute schön fluffig zu machen und zu Lederwämsern zu verarbeiten. So weit, so bekannt.
Doch während die Arbeiter ungefähr im normalen Anno-Tempo schuften und zum Beispiel alle 140 Sekunden eine Einheit Sole aus dem Salzstock klopfen, trödeln andere Beteiligte ganz enorm. Etwa beim Schiffbau: Schon der kleinste Transportkahn braucht ein paar Stunden, weil wir erst Segeltuch und Planken produzieren müssen, bevor der einstündige Schiffsbau überhaupt beginnen kann. Bei einem mittleren Transportschiff sind's schon mindestens 14 Stunden: zweimal fünf Stunden für hochwertigere Planken und Segeltücher, plus vier Stunden Bauzeit.
Doch selbst wenn so ein Transportschiff endlich fertig ist, hat es die Ruhe weg: Es braucht grundsätzlich 30 Minuten für den Hin- und Rückweg zu einer Produktionsinsel. Wenn wir zusätzliche Segel basteln, geht's zehn Prozent schneller. Ist Ihnen schon zu langsam? Warten Sie's ab, es geht noch träger.
Stolz & Geduld
Alle Inseln, also auch unsere Startinsel, sind sektorenweise von Nebel bedeckt. Um den zu lupfen, brauchen wir viel Gold, Nahrungsmittel und Getränke (etwa Brot und Milch oder, ganz verwegen, Bier und Most). Selbst mit einem großen Transportschiff, das 150 Einheiten fasst, dauert das Herbeischaffen Stunden. Auch das Lagerhaus vor Ort muss groß genug sein. Wenn das benötigte Lupf-Material endlich da ist, klicken wir auf »Aufdecken« und ... warten. Mindestens einen Tag. Bei weiteren Sektoren einer Insel auch mal zwei Tage. Oder vier. Oder acht. ACHT!
Das Faszinierende daran: Es macht Spaß. Weil wir stolz darauf sind, das Material organisiert zu haben, dass unsere Planung funktioniert hat. Wir sind froh, dass das Transportschiff wieder frei ist, wir bald mehr Bauplatz bekommen, vielleicht endlich ein Kohlevorkommen finden. Klar, die Wartezeit ist gemein, aber die Vorfreude umso größer. Es ist ein bisschen wie beim eigenen Häuschen: Entweder bauen wir alles selber - das ist anstrengend und dauert ewig, dafür sind wir beim Einzug umso stolzer. Oder wir kaufen für viel Geld das fertige Haus. Für viel, viel Geld.
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