Eine Woche im Tesla Model X: Erst Raumschiff, dann doch nur ein teurer SUV

Zwar ist das Tesla Model X schon einige Jahre auf dem Markt, aber jetzt durfte ich ihn fahren.

Die Flügeltüren des Tesla Model X sind besondere Highlights, die immer wieder für überraschte Blicke sorgen. (Quelle: Benjamin Otterstein) Die Flügeltüren des Tesla Model X sind besondere Highlights, die immer wieder für überraschte Blicke sorgen. (Quelle: Benjamin Otterstein)

In den letzten Monaten bin ich unzählige Elektroautos gefahren, aber auf ein Fahrzeug freue ich mich schon seit Jahren, hatte jedoch bisher keine Gelegenheit zu einer Probefahrt. Es handelt sich um das Tesla Model X.

Seit seiner Einführung hat es die Automobilwelt mit seinen für einen Serien-SUV ungewöhnlichen Flügeltüren und der beeindruckenden Beschleunigung fasziniert - zuletzt mit dem umfangreichen Facelift von 2021. Aber hält das Model X, was es verspricht, und wie gut schneidet es im Alltag ab?

Als Auto-Fan und Technikliebhaber habe ich dieses bemerkenswerte Elektro-SUV gefahren, um festzustellen, ob es den hohen Erwartungen gerecht wird und wie es sich im Alltag bewährt.

Transparenzhinweis: Tesla hat mir das Model X für den Test kostenfrei zur Verfügung gestellt. Der Hersteller hatte keinen Einfluss auf den Artikelinhalt und bekam keine Einsicht vor Erscheinen des Tests. Es bestand keine Verpflichtung zu einem Testbericht.

Tesla Model X
Tesla Model X
Das letzte Jahr brachte mir viele spannende Fahrten mit unterschiedlichsten Fahrzeugen, aber das Tesla Model X war aufgrund seiner charakteristischen Flügeltüren und dem Yoke-Lenkrad eine besonders beeindruckende Erfahrung. Im Cockpit fühlte ich mich wie ein Rennwagenpilot, doch ein Blick in den Rückspiegel brachte die Realität schnell zurück:
Es ist ein großer SUV mit sowohl bemerkenswerten Stärken als auch deutlichen Schwächen – insbesondere hinsichtlich der äußeren Verarbeitungsqualität, die angesichts des hohen Preises enttäuschend ist.
Trotzdem bereitete mir das Model X während der Testwoche eine Menge Freude. Besonders die beeindruckende Reichweite macht es zu einem echten Langstreckenfahrzeug. Für die meisten bleibt dieses Fahrzeug aufgrund des Preises jedoch ein unerreichbarer Traum.
  • Hohe Beschleunigung (3,9 Sek von 0 auf 100 km/h)
  • Viele Stauräume
  • Infotainmentsystem mit Streamingdiensten und Spielen
  • Flügeltüren sorgen für leichten EInstieg
  • Elektrische Türen mit Ultrabreitband-Technologie
  • Mehrere Lenkradoptionen
  • Verschiedene Sitzoptionen (5-, 6- oder 7-Sitzer)
  • Hoher Preis
  • Blinker am Lenkradkranz
  • Schwer eine Parklücke zu finden
  • Spaltmaße noch immer ein Problem
  • Sonnenblende umständlich zu bedienen

100.000 Euro für diese Verarbeitung?!

Einer der größten Kritikpunkte bei allen Teslas ist die Verarbeitungsqualität und ich möchte daher sofort den Elefanten aus dem Raum geleiten. Die Qualität ist nicht so, wie man es für ein Fahrzeug im Bereich der 100.000 Euro erwarten würde. Obendrein sehe ich kaum einen Unterschied zum günstigeren Model 3 von Tesla.

Alles was ihr wissen müsst in Kürze
So habe ich getestet

Während des Tests bin ich gewöhnliche Alltagsstrecken gefahren, in dem ich etwa meine Frau auf Arbeit gefahren und abgeholt habe, um auch Rückschlüsse für andere Fahrzeugtests ziehen zu können. Beim Langstreckentest bin ich auf der Autobahn gefahren. Auf Streckenabschnitten ohne Tempolimit bin ich zwischen 120 und 140 km/h gefahren.

Technische Daten
  • Leistung: ca. 685 PS
  • Reichweite (WLTP): 576 km
  • Beschleunig 0 - 100 km/h: 3,9 Sek.
  • Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h
  • Leergewicht: 2.415 kg
  • Batteriekapazität: 100 kWh (95 kWh nutzbar)
  • Nennspannung: 407 V DC
  • Ladeleistung (max.): 250 kW DC / 11 kW AC
  • Front- & Heckmotor: AC-Permanentmagnet-Synchronmotor
  • Als 5-, 6- und 7-Sitzer verfügbar
  • Gesamtlänge: 5,06 m
  • Breite (mit/ohne Spiegel): 2,27 m / 2 m
  • Höhe (max.): 1,74 m
  • Radstand: 2,97 m
  • Bodenfreiheit (tief/mittel/hoch): 146 mm / 166 mm / 206 mm
  • Ladevolumen vorderer Kofferraum: 183 l
  • Ladevolumen hinterer Kofferraum (maximal, umgeklappte Sitze): 2.431 l
  • Ladevolumen hinterer Kofferraum (3 Sitzreihen): 608 l
  • Anhängerkupplung optional: ungebremst 750 kg, gebremst 2.250 kg

In der Zwischenzeit habe ich Fahrzeuge aus Deutschland sowie China in Augenschein nehmen können, die deutlich besser verarbeitet sind – etwa mein neues Model Y, das ich euch vor einiger Zeit ebenfalls vorgestellt habe. Dennoch wünscht man sich für das Geld einfach einen höheren Qualitätsstandard.

Die Flügeltüren sollen Hindernisse erkennen und durch eine Anpassung des Winkels vermeiden. (Quelle: Benjamin Otterstein) Die Flügeltüren sollen Hindernisse erkennen und durch eine Anpassung des Winkels vermeiden. (Quelle: Benjamin Otterstein)

Meine Kritik erstreckt sich vor allem auf die Spaltmaße an der Karosserie, die in dieser Preisklasse einfach besser sein müssen. Vor allem bei den Übergängen der verschiedenen Fahrzeugteile wie den Türen sieht man die Probleme deutlich.

Im Inneren gibt es deutlich weniger zu meckern. Dort sind kaum Makel zu finden und wenn etwas nervt, sind es eher ungewöhnliche Designentscheidungen. Beispiel gefällig?

Die Windschutzscheibe ist riesig und erstreckt sich bis weit über den Fahrer. Um einen freien Blick zu gewährleisten, sind die Sonnenblenden jedoch in die A-Säule integriert.

Die Windschutzscheibe des Model X ist riesig und reicht bis über die Köpfe von Fahrer und Beifahrer. (Quelle: Benjamin Otterstein) Die Windschutzscheibe des Model X ist riesig und reicht bis über die Köpfe von Fahrer und Beifahrer. (Quelle: Benjamin Otterstein)

Ihr müsst also mit der rechten Hand die magnetisch fixierte Blende mit Kraft ausklappen. Sie rastet dann neben dem Innenspiegel ein. Macht man das mit der linken Hand, gibt es ein Problem. Lediglich rechts ist eine kleine Vertiefung, mit der man die Fläche der Sonnenblende vergrößern kann.

Ebenso umständlich gestalten sich die Tasten am Lenkrad, doch dazu gleich mehr.

Der Tesla X überrascht aber auch mit sehr vielen cleveren Entscheidungen. So lässt sich der große 17-Zoll-Bildschirm nach links, rechts oder mittig per Knopfdruck ausrichten, während darunter für Smartphones gleich zwei Liegeplätze sind, die beide drahtlose Lademöglichkeiten bieten. Noch etwas tiefer ist ein großes Ablagefach mit Becherhalter.

Sowohl die Ablage als auch der Becherhalter lassen sich verschieben und geben ein noch größeres Fach frei. Unter der Armlehne ist ein weiteres Fach. An Ablageflächen mangelt es dem Model X also nicht. 

Der Innenraum ist sehr aufgeräumt und bietet auch in der zweiten oder gar dritten Sitzreihe noch ausreichend Platz. (Quelle: Benjamin Otterstein) Der Innenraum ist sehr aufgeräumt und bietet auch in der zweiten oder gar dritten Sitzreihe noch ausreichend Platz. (Quelle: Benjamin Otterstein)

Tesla verspricht seit Jahren neue Fahrerlebnisse und liefert diese auch. Beim Modell 3 war dies das fehlende Display hinter dem Lenkrad, während man beim Update von Model S und Model X ein neues Lenkrad einführte: das Yoke. Wie fährt es sich eigentlich mit dem Yoke-Lenkrad? Das war glücklicherweise im Testfahrzeug verbaut.

Wer das Yoke nicht kennt: Es ist kantiger und ihm fehlt ein Bügel über der Lenkradmitte. Dadurch hat man nicht nur einen besseren Blick auf die Armaturen, sondern auch ein einmaliges Fahrgefühl. Besonders Kurven fahren sich damit … anders.

Ich empfand das Fahren damit als sehr angenehm, während mir jedoch Kreisverkehre immer ein paar Schweißtropfen auf die Stirn trieben. Die Tellerwäscherlenkung mit einer Hand ist nicht möglich. Man muss umgreifen. Dazu gesellt sich noch ein anderes Problem: das Blinken.

Tesla entfernte beim Modellwechsel nämlich die typischen Hebel von der Lenksäule, so dass man Buttons fürs Blinken, die Lichthupe, die Sprachassistenz, den Scheiben und sogar die Hupe am Lenkrad findet. Im Kreisverkehr dann den richtigen Blinker zu finden, verlangt einiges an Konzentration.

Innerhalb meiner Woche mit dem Tesla Model X konnte ich mich gut an das Lenkrad und die veränderte Lenkmethode erstaunlich gut gewöhnen – auch wenn ich mein Muskelgedächtnis noch länger dafür trainieren müsste.

Wie fahren sich 2,5 Tonnen mit knapp 700 PS?

Kurz: sportlich. Dazu tragen nicht nur die beiden Elektromotoren bei, die etwa 685 PS liefern und ihre Kraft aus der 100-kWh-Batterie ziehen, sondern auch das Luftfahrwerk, das den SUV näher an den Boden bringt, sowie das vorhin erwähnte Yoke-Lenkrad.

Durch Letzteres fühlt es sich beim Beschleunigen an, als würde man mit einem Jet starten. Bei einer Zeit von rund 3,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h sollte dies nicht wundern. Ähnlich flott sind unter anderem der Lamborghini Urus (3,3 bis 3,7 Sek.), der BMW iX M60 (3,8 Sek.) oder der Mercedes-AMG EQE 53 4Matic+ SUV (3,7 Sek.), die alle jedoch mindestens 30.000 Euro mehr kosten.

Das Yoke-Lenkrad verstärkt das Jet-Gefühl beim Fahren. (Quelle: Benjamin Otterstein) Das Yoke-Lenkrad verstärkt das Jet-Gefühl beim Fahren. (Quelle: Benjamin Otterstein)

In den Kurven liegt er durch den tiefen Schwerpunkt sowie das Luftfahrwerk äußerst stabil, so dass man ihn beim Fahren schnell mit einer sportlichen Limousine verwechseln könnte. Spätestens beim Einparken merkt man wieder, in was für einem großen SUV man eigentlich sitzt.

Mit einer Gesamtlänge von 5,05 Metern ist es nicht immer leicht einen passenden Parkplatz zu finden. Bei Supermärkten stand er auch gerne mal nach hinten über. Von Parkhäusern oder engen Kurven mal ganz zu schweigen. Hier ist ein guter Überblick und Fingerspitzengefühl am Lenkrad gefragt.

Bei holprigen Strecken sorgt das Luftfahrwerk übrigens für mehr Laufruhe, während auch eine Fahrt in leichtes Gelände möglich ist, da es sich rund sechs Zentimeter nach oben fahren kann und damit viel Bodenfreiheit bietet.

Das Luftfahrwerk passt sich an die Straße an, kann aber auch manuell hoch- und runtergefahren werden, um etwa bei Einfahrten mehr Bodenfreiheit zu haben. Diese Einstellungen lassen sich speichern, so dass das Fahrwerk immer an dieser Stelle angepasst wird.

Wenn das Luftfahrwerk hochgefahren ist, ist viel Platz unter dem Model X. (Quelle: Benjamin Otterstein) Wenn das Luftfahrwerk hochgefahren ist, ist viel Platz unter dem Model X. (Quelle: Benjamin Otterstein)

Realistische Reichweite: Tesla gibt das Model X mit einer Reichweite von rund 576 Kilometer an. Ich bin mal zügiger und mal ruhiger gefahren und hatte einen Verbrauch von rund 17,3 Wh/km auf ordentliche 423 Kilometer. Die Restladung betrug zu dem Zeitpunkt 19 Prozent, wodurch noch mehr als 100 Kilometer möglich gewesen wären. Zum Vergleich: Mein Model Y wiegt rund 500 Kilogramm weniger und verbraucht durchschnittlich 16,2 Wh/km.

Gaming im Tesla und mehr

Ich habe bereits das großzügige Display erwähnt. Auf dem Bildschirm könnt ihr während der Ladepausen auf Streamingdienste wie Netflix, Disney+ oder YouTube zurückgreifen oder Spiele spielen. Steam ist tatsächlich vorinstalliert. Die Steuerung erfolgt über einen Controller, der per Bluetooth gekoppelt werden kann.

Das System basiert auf SteamOS, so dass nahezu alle Spiele, die ihr mit dem Steam Deck spielen könnt, auch im Tesla zocken könnt. Dazu soll Hardware verbaut sein, die der aktuellen Konsolengeneration (etwa der PlayStation 5) sehr ähnlich sein soll. Entsprechend gut ist auch das Spielerlebnis.

Steam ist aktuell in einer Beta auf dem Model X sowie Model S von Tesla verfügbar, wird aber in neuen Fahrzeugen nicht mehr verfügbar sein. (Quelle: Benjamin Otterstein) Steam ist aktuell in einer Beta auf dem Model X sowie Model S von Tesla verfügbar, wird aber in neuen Fahrzeugen nicht mehr verfügbar sein. (Quelle: Benjamin Otterstein)

Allerdings kündigte Tesla schon an, dass das Feature nicht über den Beta-Status hinauskommen wird und neuere Modelle es nicht mehr bieten werden. Damit wird auch die versprochene Maus- und Tastaturunterstützung nicht mehr kommen. Glücklicherweise gibt es weiterhin zahlreiche vorinstallierte Spiele wie Cuphead oder Solitär, die ihr spielen könnt.

Auf dem Display in der zweiten Sitzreihe können Mitfahrer ebenfalls auf die Spiele und Streamingdienste zugreifen. Während das Feature vorne während der Fahrt gesperrt ist, geht es hinten jederzeit. Hier können auch Einstellungen an der Musik sowie der Belüftung vorgenommen werden.

Ein überaus spannendes Feature: Das Tesla Model X verfügt über einen integrierten Ultrabreitband-Chip, der eine zentimetergenaue Ortung eures Smartphones erlaubt, wenn darin ebenfalls ein solcher Chip (bei Apple ab dem iPhone 11) integriert ist. Diese Funktion kommt dem digitalen Autoschlüssel zugute.

Im Gegensatz zum bisherigen Smartphone-Schlüssel hat dies einen wichtigen Vorteil. Der Tesla weiß genau, wo ihr euch befindet. Das alte System funktioniert hingegen mit Bluetooth und kann damit weniger die Position als nur die Entfernung bestimmen.

In der Praxis hat das mehrere Vorteile: Wenn ich mich der Fahrertür genährt habe, hat sie sich schon für einige Zentimeter geöffnet, so dass ich einfacher einsteigen konnte. Ein Tritt auf das Bremspedal hat sie übrigens auch geschlossen.

Außerdem kann man mit dem Ultrabreitband-Chip auch die Heckklappe öffnen – ganz ohne eine Kickbewegung. Das Model X erkennt eure Position hinter dem Fahrzeug und beginnt dann zu piepen, bevor sich die Klappe öffnet.

Der große Nachteil ist jedoch, dass dies immer mal wieder ungewollt geschieht: Beim Waschen des Fahrzeugs für die Aufnahmen für diesen Artikel, sind immer wieder Fahrertür und Heckklappe aufgegangen, was gestört hat.

Was haltet ihr vom Tesla Model X? Habt ihr eigene Erfahrungen oder Meinungen zu diesem außergewöhnlichen Elektro-SUV? Wir sind gespannt auf eure Meinung.

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