Warum ist Counter-Strike eigentlich unsterblich?

CS überlebt scheinbar jeden Hype, jeden Shooter-Trend und jeden noch so hochkarätigen Konkurrenten. Was macht diesen Shooter so besonders?

Counter-Strike ist ein Phänomen, das unzählige Höhen und Tiefen erlebt hat und dabei oft Widersprüche hervorbringt. So sorgte 2018 der Wegfall des Preisschildes durch Free2Play erstmal kurzfristig für Spielerschwund. Die Ankündigung des ersten ganz direkten Konkurrenten Valorant half dagegen sogar, den Allzeitrekord einzuleiten. Wie kann das sein?

Battle Royale hin, Hero Shooter her: Nichts scheint diesem Counter-Strike den Wind aus den Segeln zu nehmen - auch 2021 war es wieder das beliebteste Steam-Spiel. Ich möchte in diesem Artikel analysieren, wo die Ursachen dafür liegen. Und muss direkt mal mit einem Eingeständnis anfangen.

Valorant als CS-Killer? Von wegen!

Als ich Valorant zum ersten Mal spielte, fühlte ich echte Gefahr für Counter-Strike. Valorant kam fundamental ähnlich daher, aber frischer und moderner. Ich finde sogar, es steckt CS stellenweise spielerisch in die Tasche. Also folgerte ich, Valorant könnte CS gefährlich werden. Ich glaubte, große Teile der E-Sport-Community könnten zu Valorant wechseln. Und die Spielerzahlen von CS würden abnehmen, so mein Fazit damals:

Nun, ich lag falsch und nichts davon trat für CS ein - ganz im Gegenteil. Ja, die Ankündigung von Valorant sorgte im März 2020 für Wirbel. Aber sie trug dazu bei, dass die Spielerzahlen von Counter-Strike im April 2020 explodierten!

Wer weiß, womöglich wollten sich viele Spieler nochmal ins Gedächtnis rufen, wie sich Counter-Strike spielt. Der damalige Rekord von 1,3 Millionen gleichzeitig aktiven Spielern wurde jedenfalls danach nie wieder erreicht.

Und die Allzeit-Kurve zeigt generell, wie unkaputtbar CS:GO auf Steam ist. Klar ging es auf und ab über die Jahre, aber vor allem ist ein erstaunlich langfristiges Wachstum erkennbar. Die gesunde, riesige Community lebt und atmet beständig. Davon können andere Entwickler eines Live-Service-Spiels nur träumen:

Counter-Strike: Global Offensive hält sich stabil als einer der meistgespielten Titel auf Steam. [Bildquelle: Steamcharts.com] Counter-Strike: Global Offensive hält sich stabil als einer der meistgespielten Titel auf Steam. [Bildquelle: Steamcharts.com]

Aber woran liegt das? Warum will Counter-Strike seiner Community einfach nicht langweilig werden? Und geht das womöglich ewig so weiter?

Leiten wir unsere Analyse doch da ein, wo alles seinen Anfang nahm. Denn die in Internetjahren gemessen urzeitlichen Anfänge bilden das Fundament für eine Erfolgsgeschichte ohne Blaupause.

Counter-Strike war das Fortnite der 00er-Jahre

Ich selbst kann ein Lied davon singen: Die Beta-Version der Mod Counter-Strike für Half-Life war der unangefochtene König auf meinen ersten LAN-Partys. CS bescherte mir meine ersten Shooter-Erfahrungen und brachte mich überhaupt erst mit E-Sport in Kontakt.

Auch wenn ich Counter-Strike seit 2015 nicht mehr aktiv kompetitiv gespielt habe, bezeichne ich das Spiel als eines meiner prägendsten. Es formte meinen Geschmack für Hardcore- und Taktik-Shooter.

CS:GO Das Spielprinzip von Counter-Strike ist uralt.

Valorant Valorant lockt mit eigenen Impulsen neue Spieler an.

Und warum faselt der alte Autor so rührselig aus der Mottenkiste? Weil es nicht nur mir so ergeht! Counter-Strike formte eine ganze Generation von Shooter-Fans, schon zur Jahrtausendwende. Meine steile These: Counter-Strike war damals das, was Fortnite heute ist.

Warum? Die Community traf sich nicht nur online, sondern lernte sich in der echten Welt persönlich kennen. Auf den Schulhöfen, in den Pausenräumen, auf LANs. Das verbindet enorm und legt den Grundstein für eine lange Bindung. Und wenn ich ehrlich bin: Echte Alternativen gab es wenige. Um die Jahrtausendwende wuchsen taktische Multiplayer-Shooter nicht gerade auf Bäumen!

Und so war Counter-Strike jahrelang in aller Munde und das Shooter-Thema Nummer eins. Sogar in der deutschen Politik wurde auf allerhöchster Ebene über CS debattiert:

20 Jahre GameStar: Die zehn wichtigsten Spiele (710) - Counter-Strike - »Bundeskanzler Schröder wollte es verbieten lassen« Video starten PLUS 5:58 20 Jahre GameStar: Die zehn wichtigsten Spiele (7/10) - Counter-Strike - »Bundeskanzler Schröder wollte es verbieten lassen«

Ein Shooter für alte Leute also? Ein Relikt der Vergangenheit? Ganz und gar nicht: CS ist heute weit mehr als die Ü30-Party der Multiplayer-Shooter! Denn Valve nutzte seinen riesigen Einfluss durch Steam, um stets für Nachwuchs zu sorgen.

Steam als Motor

Valve hat die volle Kontrolle, CS selbst zu bewerben. Wann immer eine neue Season startet, erwartet Millionen Nutzer der kaum übersehbare Hinweis, dass es Counter-Strike ja auch noch gibt.

Spätestens zum Free2Play-Release dürften die meisten Shooter-Fans den Klassiker zumindest mal ausprobiert haben. Und manche sind dabei geblieben. Ich bin überzeugt: Steam dient Valve als Motor, um seine Hausmarken Counter-Strike und Dota 2 anzutreiben - und die Spielerzahlen hoch zu halten.

Hinzu kommt die intelligente Integration von Steams Vorzügen: Der Markt für Skins weckt Interesse bei Glücksrittern, die sich Gewinne versprechen. Spieler können ihre Lootbox-Inhalte verkaufen, sich gewünschte Items selbst zulegen, und so weiter. So kritikwürdig vieles davon ist – es erzeugt einen Sog, der Counter-Strike zugutekommt. Da sorgen selbst Preise für einzelne seltene Ingame-Aufkleber schon für Schlagzeilen:

Einer der teuersten Artikel auf dem Community-Markt von CS:GO kostet weit über 1.000 Euro. Einer der teuersten Artikel auf dem Community-Markt von CS:GO kostet weit über 1.000 Euro.

Auch nicht zu vernachlässigen: Die Anbindung an den Steam Workshop garantiert nicht nur Nachschub an Skins, Waffen, Maps, Spielmodi und so weiter, es bietet auch Moddern einen eigenen Mikrokosmos, um Ideen umzusetzen und Teil eines leidenschaftlichen Kreativwerkstatt zu werden. CS ist auf vielen Ebenen interaktiv - es ist Spiel, Plattform, Marktplatz und Community in einem.

Mit HLTV betreibt Valve zudem eine integrierte Zuschauerplattform, die einfach und unkompliziert Matches zeigt, aber vor allem den wohl stärkste Stützpfeiler des Geschäftskonstrukts fördert: den E-Sport.

Eine Macht im E-Sport

Das Prinzip Counter-Strike setzt mit Global Offensive auch 23 Jahre nach dem Launch der Mod noch kompetitive Maßstäbe. Von offiziellen Turnieren mit großen Preisgeldern bis zu kleinen privaten Ligen nur zum Spaß – Counter-Strike hat den Ego-Shooter als E-Sport groß gemacht und bleibt dabei selbst eine der wichtigsten Adressen.

Das liegt nicht nur an Valves üppigem Preisgeldregen, der seit Jahren die elektronische Sportart Counter-Strike maßgeblich mitträgt. Auch wenn über die Bezeichnung “Sport” weiterhin gestritten wird, kann niemand leugnen, dass es Profi-Teams gibt, die (nicht nur in CS:GO) das ganz große Geld verdienen:

Counter-Strike ist von Natur aus extrem auf kompetitives Spielen zurecht geschneidert. Höchste Präzision ist erforderlich. Die besten Reflexe und Spielzüge gewinnen im Kleinen, die besten Strategien im Großen. Taktik und Strategie greifen ineinander. Das sind Aspekte, die professionelle Sportarten kennzeichnen.

Der Release von Valorant im Jahr 2020 hätte jedoch auch dafür sorgen können, dass viele Profis sich auf das neuere Spiel verlegen. Und tatsächlich zeigt die Summe der ausgeschütteten Preisgelder für CS:GO im Jahr 2020 einen herben Knick (via Statista.com). Aber wir müssen mit einbeziehen, dass die damals noch junge Corona-Pandemie hierzu negativ beitrug. Ein Jahr später sieht die Situation wieder besser aus: 2021 waren die CS:GO-Preisgelder wieder auf vorpandemischem Niveau.

Der Erfolg von Counter-Strike wurde bislang weder durch mächtige Konkurrenten noch höhere Gewalt langfristig beeinträchtigt. Das liegt nicht nur am konsequent auf Wettbewerb ausgerichteten Gameplay, sondern auch am passiven Begeisterungsfaktor. Und das, obwohl die Spieler von CS:GO über die Jahre immer wieder unter der Cheater-Problematik litten:

Cheater in Multiplayer-Shootern - Nimmt die Plage in CS:GO und Co. überhand? Video starten 12:08 Cheater in Multiplayer-Shootern - Nimmt die Plage in CS:GO und Co. überhand?

Wie Schach ist CS:GO relativ einfach zu lernen, aber unheimlich schwer zu meistern. Besonders dann, wenn ein ebenbürtiger Gegner im Spiel ist. Das erzeugt beim Zuschauen nicht nur Spaß, wenn man sieht, welche unglaublichen Manöver die Pros abspulen. Es stellt auch einen persönlichen Bezug her – viele Fans spielen schließlich selbst aktiv.

Und diese Fans zahlen für Merchandise, Event-Tickets und Ingame-Items. Ein eigener Kosmos, der Zuschauer mitreißt und Unmengen an Geldern bewegt.

Lapidar ausgedrückt: Wenn man sich fragt, warum CS:GO immer noch erfolgreich ist, könnte man auch fragen, warum der Fußball weiterhin erfolgreich ist. Die offenkundige Antwort: Weil es sich für die Profis lohnt und weil es zeitlos in seiner Qualität ist, bei Fans Begeisterung zu erzeugen.

Erfolg durch Innovationsarmut?

Wir alle probieren doch gern mal was neues aus - zumindest die meisten und zumindest ab und zu. Abwechslung muss sein! Warum immer das gleiche bestellen, wenn es doch diese abgefahrene Soulfood-Bowl mit Rotkohl, Pak Choi, Huhn, Nüssen und Zitrone gibt? Aber manchmal, naja, da muss es einfach der saftige Cheeseburger sein. Der ist immer gut!

Was wir kennen, das lieben wir. Nicht umsonst schaltete die Biermarke Jever über 12 Jahre lang denselben verdammten Werbespot Die Message: Seht mal, neumodischer Schnickschnack ist ja schön und gut, aber unser Klassiker ist eben bewährt. Und Counter-Strike änderte im Laufe der Jahre, selbst zum Release des neuesten Teils CS:GO, kaum etwas am Kern des Spielprinzips. Lediglich das Rahmenwerk wurde erweitert.

Wie das Phänomen Counter-Strike eigentlich entstand und sich seinen Weg von der Mod zum Millionenseller bahnte, könnt ihr euch hier in 8 Minuten anschauen:

Counter-Strike - Doku zur Entstehung des Shooters Video starten 7:48 Counter-Strike - Doku zur Entstehung des Shooters

So finden Spieler bei CS stets das, was sie erwarten: Dasselbe, vielleicht im Vergleich etwas angestaubte, aber auch zeitlos spaßige und anspruchsvolle Spielprinzip. Never touch a running system, wie es so schön heißt. Valve zog deshalb lediglich beim Drumherum nach, um Spieler bei der Stange zu halten.

Und kein Ende in Sicht

Counter-Strike bekam »erst« mit CS:GO ab 2013 einen richtigen Live-Service. Damit war Valve mal wieder am Puls der Zeit, denn später sollten Konkurrenten wie R6: Siege und Valorant einen ähnlichen Weg beschreiten. Die Operations versorgen Spieler mit neuen Inhalten wie Maps, hier und da kommen neue Modi hinzu. Spieler müssen tägliche Aufgaben grinden, um nette Sticker und andere Goodies zu verdienen.

Damit bietet Valve Motivation abseits des spielerischen Anreizes. Und der ist durch ein ausgeklügeltes Rangsystem, bei dem Spieler in Leistungsniveaus aufsteigen können, ohnehin gegeben. Valorant ist auch dahingehend sehr ähnlich aufgebaut. Für Shooter-Expertin Petra hat Valorant sogar CS abgelöst

Da sich meine Hypothese, dass Counter-Strike durch Valorant viele Spieler verlieren könnte, nicht bewahrheitet hat, biete ich eine andere Schlussfolgerung an: Valorant muss das Spielprinzip von Counter-Strike einer größeren Masse schmackhaft gemacht haben.

Was wie ein Angriff auf CS:GO anmutete, stellte sich als eine der besten Entwicklungen für das uralte Shooter-Prinzip heraus. Valorant brachte neue Spieler auf den Geschmack für Taktik-Shooter Marke Counter-Strike. CS:GO selbst bleibt indes auch 2022 einer der größten und wichtigsten Multiplayer-Shooter. Ein Ende der beispiellosen Erfolgsgeschichte ist nicht in Sicht.

zu den Kommentaren (115)

Kommentare(88)
Kommentar-Regeln von GameStar
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.