Vor 17 Jahren erschien ein bizarrer Shooter, der selbst heute noch modern wäre

Können Filme und Spiele wirklich harmonisch ineinandergreifen? Vor 17 Jahren zeigte bereits ein Shooter: Ja, das geht. Und heutzutage lecken sich Publisher genau danach die Finger.

Ich schaue gerade alle neun Staffeln von 24. Ihr erinnert euch vielleicht: Das ist diese Agentenserie aus den 2000ern, in der Kiefer Sutherland Leute verprügelt und die Showrunner irgendwie ein Drehbuch drum herum stricken mussten. Es geht um Terrorismus, um Anschläge auf Los Angeles, um Verrat, Hacking, ja, generell reflektiert 24 ganz und gar den Zeitgeist der frühen 2000er. Ein Regierungsagent, der auf der einen Seite permanent moralische Regeln bricht, um den Terror zu bekämpfen, auf der anderen Seite aber durchaus fremdenfeindliche Ressentiment kritisiert, vor allem gegen islamische Mitmenschen.

Berühmt wurde 24 aber vor allem wegen seines schrägen Formats: Die komplette Story läuft in Echtzeit ab, jede Folge repräsentiert also eine Stunde an einem verflucht langen Tag. Ständig tickt die Uhr, es gibt Bild-im-Bild-Zusammenschnitte und Dutzende Handlungsstränge, damit die Macher immer was zu zeigen haben, wenn ein Charakter gerade mal Pause macht, schläft oder irgendwo hinfährt.

Was aber die wenigsten Leute wissen: Zu 24 gab es auch ein Spiel. Kein besonders gutes, aber ein wegweisendes, weil es schon vor 17 Jahren Trends realisierte, die Ubisoft, Netflix und Co. aktuell mit langjährigen Plänen und Millionenbudgets unerlässlich anstreben: ein Multimedia-Franchise zu erschaffen, in dem Gaming und Film sich wirklich auf Augenhöhe begegnen.

Lasst mich das für euch in fünf Minuten aufdröseln. Tick. Tack. Reden wir über 24: The Game.

Was ist bitte 24: The Game?

Im längst vergangenen Jahr 2003 lief im Fernsehen die erste Staffel Deutschland sucht den Superstar, im Radio tönten Kelly Clarkson, Evanescence und 50 Cent, im Kino kaperte Captain Jack Sparrow unsere Herzen - und irgendwo in den USA hatten ein paar Füchse bei 20th Century Fox und Sony eine raffinierte Idee: Erzählen wir unsere super trendige Serie 24 doch als eines dieser Videospiele weiter. Enter the Matrix hatte als Film-Gaming-Hybrid gerade erst Millionen eingespielt, warum also nicht davon lernen?

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24: The Game würde die Story der zweiten Staffel 24 weitererzählen, denn die endete auf einem üblen Cliffhanger, der große Schurke schipperte noch ungestraft auf den Weltmeeren rum, der US-Präsident durch einen Anschlag lebensgefährlich verletzt - also der perfekte Nährboden für ein Storytelling-Megaprojekt, dass sogar Sonys hauseigene Gaming-Studios entwickeln würden.

Blöd nur, dass sich so ein Spiel mal nicht eben über Nacht entwickelt.

Und so erschien 24: The Game erst 2006, als die zweite Staffel längst eiskalter Kaffee war (Season 5 lief gerade im Fernsehen) exklusiv für die PlayStation 2, die zu dem Zeitpunkt ebenfalls kalter Kaffee war und ... naja. Aber das Spiel blieb seiner ursprünglichen Version ungehindert treu: Wer wissen will, wie die eigentliche Story der zweiten Staffel 24 endet, muss tatsächlich diesen obskuren Shooter spielen.

Und das macht gar nicht mal so viel Spaß.

Was ist wichtig an 24: The Game?

Das Gameplay von 24: The Game ist eigentlich egal. Ein bestenfalls mittelmäßiger Mix aus Schießereien, Autoverfolgungsjagden und Hacking-Minispielen aus einer Ära vor Gears of War, in der sich noch kein einheitliches Steuerungsformat für Third-Person-Shooter auf Konsolen durchgesetzt hatte. Heißt konkret: Die Steuerung dieses Spiels flutscht ähnlich reibungslos wie der Bau des Berliner Flughafens.

Alles andere als typisch ist hingegen der unglaubliche Aufwand, der in diesem Spiel steckt. Fast der komplette Cast der Serie tritt hier für Vertonung und Gesicht auf, darunter Kiefer Sutherland (Jack Bauer) und Dennis Haysbert (Präsident David Palmer), aber auch kleinere wie größere Nebenrollen. An jede Ingame-Mission reihen sich minutenlange Zwischensequenzen, die die Bild-im-Bild-Techniken der Serie adaptieren.

24 liefert rudimentäre Deckungsmechaniken. 24 liefert rudimentäre Deckungsmechaniken.

Und der springende Punkt: Die Story dieses Spiels hat Gewicht. Der große Schurke der zweiten Staffel findet hier sein Ende, außerdem treten Hauptcharaktere der nachfolgenden dritten Season zum ersten Mal auf, Beziehungen werden geknüpft, kurzum: Die Macher nehmen dieses Spiel ernst.

Viele Film- und Spieladaptionen sind entweder schlechte Kopien des Vorbilds oder belanglose Nebengeschichten, aber 24: The Game ist ein essenzielles Bindeglied, ohne das die dritte Staffel deutlich weniger Sinn ergibt.

Und was hat das mit heute zu tun?

Aktuell ist genau das voll im Trend. Ja, solche Vermählungen aus Gaming und Film gibt's zwar zyklisch alle paar Jahre und ich will gar keine große Zeitenwende prophezeien, aber große Publisher wie Ubisoft investieren gerade Unsummen, um ihre Franchises über ein einzelnes Medium hinaus zu expandieren. Assassin's Creed auf Netflix, Avatar auf der PS5.

Und die Ergebnisse sind verblüffend: Auf Netflix bringen Arcane und Cyberpunk 2077: Edgerunners die Streaming-Leitungen der Leute zum Glühen, der Mario-Bros-Film spielt Rekordsummen ein. Hollywood sucht emsig nach einem Nachfolger der Superhelden-Ära, stürzt sich auf Produktfilme wie Barbie oder Air: Der Große Wurf - und ja, auch auf Gaming. Gerade Edgerunners hat gezeigt, dass eine gute Serie die Verkaufszahlen der Spiele zum Explodieren bringen kann; und umgekehrt dürfte das Spiel viele Leute zur Serie getrieben haben.

24: The Game hat damals schon viele Ideen vorgelebt, von denen die Publisher heute lernen könnten. Was spricht zum Beispiel gegen ein Spiel zu Stranger Things, das die Story zwischen zwei Staffeln erzählt? Gerade wenn Season 5 mit einem Zeitsprung arbeiten soll. Was spricht gegen eine Assassin's-Creed-Serie, die die Geschichte der Frye-Zwillinge aus Assassin's Creed Syndicate weitererzählt?

Ich habe gesagt, ich will hier nichts prophezeien, aber eine Hoffnung trage ich im Herzen: dass endlich das Zeitalter der guten Gaming-Adaptionen angefangen hat - und das in beide Richtungen. Und gerade um die vollen Potenziale der Zukunft zu erkennen, lohnt sich manchmal ein Blick in die Vergangenheit. So obskur sie auch sein mag.

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