Kennt ihr noch den »Super Toy Club«, der vor zwei Jahrzehnten im Fernsehen lief? Kurz erklärt: Bei dem Wettbewerb durfte der Sieger im Anschluss das lokale Spielwarengeschäft leerräumen und alles mitnehmen, was in den Einkaufswagen passte.
So ähnlich ging es mir in den vergangenen Wochen, als ich auf der PCPartPicker-Webseite meinen neuen Rechner zusammenstellte. Denn auch hier hatte ich beschlossen, einfach alles in den (virtuellen) Einkaufswagen zu werfen, was irgendwie möglich war; Budgets sind für Menschen, die nachdenken. Das mündete unter anderem in 128 GByte Arbeitsspeicher.
Die Reaktion meines Bruders darauf? »Du hast doch Cyberpunk 2077 noch nicht gespielt.« (Inzwischen ein Sakrileg, ich weiß.) »Kannste dann ja gleich auf deinem RAM installieren«, meinte er mit eindeutig ironisch gemeintem Gelächter.
Stopp.
Ich merke, wie die eingefrorenen Zahnräder in meinem Oberstübchen anfangen, aus ihrem Winterschlaf zu erwachen und zunächst gemächlich, dann immer schneller rotieren. Cyberpunk 2077 auf dem Arbeitsspeicher installieren? Die notwendige Kapazität mal außen vor gelassen - das muss doch gehen, oder?
Spoiler: Ja, das geht. Wie und was ihr daraus außerhalb eines wahnwitzigen Projekts mitnehmen könnt, findet ihr hier heraus.
Das Zauberwort lautet »RAMDisk«
Um den verbauten Arbeitsspeicher als Festplatte nutzen zu können, müssen wir diesen als virtuellen Datenträger anlegen – auch bekannt als »RAMDisk«. Damit das funktioniert, brauchen wir die entsprechende Software, die es in verschiedenen Varianten gibt.
Manche der möglichen Softwarelösungen geben in der kostenlosen Version eine Obergrenze an, wie hoch der neue Speicher sein darf, doch im Fall von »ImDisk« haben wir Glück: Hier können wir mit wenigen Klicks eine RAMDisk anlegen, die 96 GByte groß ist.
Das reicht gerade aus, um Cyberpunk 2077 mitsamt Phantom-Liberty-DLC zu installieren und 32 GByte an Arbeitsspeicher übrigzulassen, um das Spiel auch mit einem Viertel des gesamten RAMs an die Grenzen zu bringen. Zumindest an Prozessor (Core i9-14900K) und Grafikkarte (RTX 4090) soll’s nicht scheitern.
Den technischen Hintergrund zu RAMDisks findet ihr übrigens hier – auch wenn der Artikel ein paar Jahre auf dem Buckel hat, die Prinzipien dahinter gelten noch immer:
Merke ich einen Unterschied zur SSD?
Gesagt, getan. Im Windows-Reiter zu »Geräte und Laufwerke« begrüßt mich neben meiner eigentlichen SSD nun ein mit »RamDisk« äußerst akkurat beschriebenes virtuelles Laufwerk mit 96 GB freiem Speicher.
Mit dieser SSD muss sich mein frisch gewonnener Speicherplatz auch messen. Einen ersten Vergleich erstelle ich mit dem »CrystalDiskMark« genannten Tool, das ich spezifisch hierfür installiere und dabei pflichtbewusst das Verlangen ignoriere, die gebotenen Anime-Editionen für die Screenshots herzunehmen.
Und siehe da: Sowohl die sequenziellen als auch die zufälligen Schreib- und Lesegeschwindigkeiten des DDR5-Arbeitsspeichers machen Hoffnung auf einen Performance-Boost. Teils werden hier sogar die doppelten Schreibraten erreicht.
Fangen wir also mit dem Installationsprozess an, der sich in etwa so einfach wie jeder andere auch gestaltet. Mit dem einzigen Unterschied, dass wir das frisch angelegte virtuelle Laufwerk als Zielverzeichnis anlegen.
Etwas weniger als eine Stunde später begrüßt mich die Meldung, dass Cyberpunk 2077 startklar sei. Und ich erst. Je nachdem, wen aus unserem Podcast zum Thema Cyberpunk 2077 ihr fragt, bin ich nämlich drei Monate bis drei Jahre zu spät dran, mich in Night City zu stürzen.
Vorher sollte ich mir aber mit den internen Benchmarks ein Bild davon machen, ob die Installation auf dem RAM auch tatsächlich etwas gebracht hat.
Und das Ergebnis lautet wie zu erwarten war: nicht wirklich.
Bei der Performance machen hohe Datenraten erfahrungsgemäß ohnehin keinen nennenswerten Unterschied, was sich hier bestätigt. Vom nicht relevanten (und nicht reproduzierbaren) Ausreißer nach oben bei den maximalen FPS in meinen Testläufen mal abgesehen.
Die Ladezeiten im Spiel selbst sind entweder exakt gleichgeblieben oder der Unterschied so theoretischer Natur, dass dieser allenfalls mess-, aber nicht spürbar ist.
Auch das kommt nicht überraschend, da es bereits zwischen klassischen SATA-SSDs und extrem schnellen PCI-Express-SSDs kaum Differenzen gibt, insbesondere dann nicht, wenn das immer noch sehr seltene DirectStorage nicht unterstützt wird.
Aber dieses Experiment diente ja auch nicht dazu, mein Cyberpunk-2077-Erlebnis zu verbessern, sondern einfach mal etwas Unsinn mit meiner verrückt üppigen RAM-Menge zu veranstalten.
Wofür ihr solche virtuellen Partitionen tatsächlich einsetzen könnt
In den Steam-Hardware-Umfragen zeichnet sich mittelfristig ein Trend hin zu 32 GByte RAM ab. Den allermeisten Spielen heutzutage reicht allerdings (noch) 16 GByte, sodass ein guter Teil einer solchen Kapazität für eine solche RAMDisk genutzt werden kann.
Gut, vielleicht werdet ihr nicht unbedingt Cyberpunk 2077 oder ähnlich große Titel zum Spaß an der Freude darauf installieren – solltet ihr auch gar nicht, denn diese virtuellen Laufwerke haben ein inhärentes Problem.
Nach jedem Windows-Neustart werden nämlich sämtliche vorliegenden Daten auf dieser RAMDisk gelöscht; eine Spielinstallation müsstet ihr also jedes Mal von vorn beginnen und darauf hoffen, dass die Cloud euren Speicherstand beibehalten hat.
Diesen Umstand könnt ihr euch aber zunutze machen: Schon mit einer klein angelegten RAMDisk von 512 MByte habt ihr mehr als genug Platz für euren Browser-Cache, schont so eure SSD und beschleunigt euer Surferlebnis. Schließlich leert ihr euren Cache bei jedem Neustart durch die RAMDisk-Natur gewissermaßen vollautomatisch.
Ein weiteres Szenario für die Anwendung einer RAMDisk liegt den Minecraft-Spielern unter euch nahe – sofern ihr hierfür wiederum etwas mehr Arbeitsspeicher erübrigen könnt. Denn eines der größten Bottlenecks, unter dem Minecraft-Server leiden, sind festplattenbezogen – als Beispiel ist hier das »Chunk Management« zu nennen.
Lagert ihr euren Server also auf eine solche (dauerhaft laufende!) RAMDisk aus, profitiert ihr von den rasanten Transfer- und Zugriffsraten, um so ein an Perfektion grenzendes flüssiges Minecrafterlebnis zu garantieren.
Wie viel RAM ihr für solche Szenarien abtreten wollt, bleibt euch überlassen. Ich mache mich jetzt aber erst einmal auf, herauszufinden, bei wie vielen Browser-Tabs Schluss für meinen Arbeitsspeicher ist.
Ich weiß, 128 Gigabyte Arbeitsspeicher sind zum heutigen Zeitpunkt zu viel des Guten – aber jetzt steht er eben da. Welche Experimente wollt ihr demnächst von meiner RAM-Konfiguration sehen? Gibt es Anwendungsfälle, wo ihr eine RAMDisk nutzen wollt oder das sogar schon getan habt? Lasst es uns in den Kommentaren wissen!
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