Ich liebe Open-World-Spiele, aber eine Sache bin ich mittlerweile so leid: dass jeder Nachfolger mit jeder neuen Welt immer noch größer sein muss. Warum? Na, aus Prinzip! Es gehört schließlich zu den Grundlagen des Marketings, dass Zahlen Fortschritt und Weiterentwicklung bedeuten.
Wenn Ubisoft in Assassin's Creed Origins mit einer Gesamtfläche von 80 km² aufwartet, muss der Nachfolger Odyssey also dreimal so groß sein – woher sollen wir denn sonst wissen, dass das neue Spiel viel, viel besser ist? Sollen wir etwa stattdessen auf Inhalte schauen? So ein Unsinn!
Die aktuell krasseste Ausprägung dieses ewigen Wachstums ist in Starfield zu sehen: Hier wird mir nicht nur eine Stadt, ein Bundesstaat oder ein Kontinent geboten, sondern gleich eine ganze Galaxie mit den viel zitierten 1.000 Planeten. Was nach viel klingt, entpuppt sich auf den zweiten Blick als genau das, was ich mittlerweile bei Open Worlds befürchte: unendliche Weiten.
Bitte nicht falsch verstehen: Ich hatte mit Starfield viel Spaß und habe gern an unserem Sonderheft zum Thema mitgearbeitet. Ich bin aber auch der Meinung, dass die Spielwelt diesen Gigantismus nicht braucht, und dass eine kleinere, dafür organischere und liebevoller gefüllte Welt mir eine bessere Spielerfahrung geboten hätte.
Dass Größe nicht unbedingt alles ist, sondern es gerade beim Open-World-Design auf die Technik ankommt, wird für mich an zwei Beispielen deutlich. Die will ich mir jetzt mit euch gern genauer anschauen.
Under the Waves: Weniger ist Meer
Auf dem Meeresgrund ist die Welt noch in Ordnung – zumindest wenn es um spannend gestaltete Open-Worlds geht. Der Sommerhit Under the Waves von Parallel Studio (und Heavy-Rain-Macher Quantic Dream als Publisher) hat mich kalt erwischt und schnurstracks in seinen storylastigen Abgrund gezogen.
In der Rolle des Industrietauchers Stan Moray bin ich in einem Alternativszenario des Jahres 1979 auf dem Grund der Nordsee stationiert, um Wartungsarbeiten an schwerem Ölbohrgerät durchzuführen. Das mache ich entweder klassisch mit Taucheranzug und Sauerstoffflasche oder an Bord meines U-Boots Moon, auf das selbst James Cameron neidisch wäre.
An dieser Stelle soll es nicht um die grandiose Inszenierung des Spiels oder die interessante Ausarbeitung des Hauptcharakters gehen. Auch will ich hier gar nicht zu sehr die Dramaturgie loben und die wunderschöne – weil extrem stimmige – Grafik herausstellen.
Es geht mir um etwas, was meiner Meinung nach den unzähligen Open Worlds fehlt: Glaubwürdigkeit in Verbindung mit ausreichend Leerstellen. Bin ich erstmal abgetaucht, lasse ich auch die Konventionen des Genres an der Oberfläche zurück.
Natürlich gibt es auch in Under the Waves viel zu entdecken, sammeln, craften und erleben. Allerdings drängt sich mir das Spiel nicht auf. Eine während meines zehnstündigen Spieldurchlaufs häufig gedrückte Taste ist die zum Ausschalten des HUD. Wenn ich dann mit meinem U-Boot unterwegs bin, lasse ich mich seit Langem wieder von meiner eigenen Nase treiben. Quest-Marker, Fragezeichen und andere Hervorhebungen sind in Under the Waves, wenn überhaupt, sehr dezent implementiert.
Eine faszinierende Welt
Während der Fahrten mit Moon verliere ich mich häufig im »blauen Horizont« des Meeres. Ich beobachte, wie langsam Strukturen sichtbar werden und Lichter meines Lebensmoduls, das mir als Basis dient, den dunkelblauen Vorhang durchbrechen.
Eine Karte samt eingezeichneten Hotspots gibt es natürlich auch, aber das Tempo in Under the Waves ist ein völlig anderes als in anderen Open-World-Spielen. Natürlich kann ich auch in Starfield machen, was ich will. Mir persönlich wird nur in Under the Waves erst richtig deutlich, wie albern es ist, bei dem Planeten-Hopping-Schnellreisesystem von einer erkundbaren Galaxie zu sprechen.
Stattdessen tuckere ich durch die Nordsee und warte die schweren Maschinen des Offshore-Ölbohrunternehmen UniTrench. Ich steige aus, tauche durch Rohre, bediene Terminals, drehe Pipelines zu und mache nebenher Jagd auf Meeresbewohner – mit der Fotokamera selbstverständlich! Das Spiel schafft es sehr gut, mir Entspannung zu vermitteln und gleichzeitig eine packende und überraschend düstere Geschichte zu erzählen.
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