Cyberpunk 2077 ist keine Dystopie.
Für mich ist Cyberpunk so ein Feel-Good-Spiel, das ich abends nach der 20 Uhr Tagesschau anmache, während ich mir auf dem Bett, wo meine Frau schläft, kokett eine Schnapspraline einwerfe.
Seit ich Geforce Now habe, kann ich auch beim Frühstücken spielen, beim Wäscheaufhängen, beim Haushalt. Für mich ist Cyberpunk das Klosterfrau Melissengeist, das Frauengold, das Kölsch-Wasser der 2023er, in denen die Welt hierzulande weit kaputter erscheint, als es jede Dystopie aus den Achtzigern nachzeichnen könnte. Und die Achtzigern waren für mich auch schon kaputt (Ronald Reagan, Lindenstraße).
Das meiste der Cyberpunk-Vorlage ist heute überholt. Damit teilt die Netrunner-Geschichte um Konzerne dasselbe Schicksal wie sein sabbernder, eulenäugiger Bruder, der Cthulhu-Mythos. Das war alles auch mal sau-aktuell, und spannend ist das auch heute noch.
Aber niemand interessiert sich heute noch ernsthaft für das Namenlose Grauen (TM), und auch, wenn es stilistische Feinheiten gibt: Die vielen gefloppten Verfilmungen und Spiele zeigen es deutlich. Und so auch mit Cyberpunk: Wart ihr mal einen Samstagabend in Berlin oder Leipzig?
Ich meine, da brennen auch die Mülltonnen wie bei Straigth Outta Compton. Und da tragen Jungs und Mädels auch gar nichts oder bunte, Achtziger-Jahre-Retro-Trainingsjacken, während sie teildelinquent in der Dunkelheit an Tischtennisplatten angelehnt stehen. Da wüsste ich jetzt echt nicht, wo der der Unterschied zu Cyberpunk ist.
Triggerwarnung und Hilfe
Achtung, dieser Text zieht Parallelen zwischen der Dystopie in Cyberpunk 2077 und den realen Problemen unserer Gegenwart, die Menschen belasten. Unter anderem enthält er Bezüge auf Kriminalität, Gewalt und Selbstverletzung.
Solltet ihr selbst von solchen Problemen betroffen sein, zögert bitte nicht, einen Arzt aufzusuchen oder euch an anonyme Hilfestellen wie eine Telefonseelsorge oder die deutsche Gesellschaft für Suizidprävention zu wenden. Depressionen und andere psychische Probleme sind ernstzunehmende Krankheiten, die allerdings behandelt werden können. Konsumiert den Artikel bitte auch mit Vorsicht, sollten die angesprochenen Emotionen und Themen starke Gefühle oder Erinnerungen bei euch wecken.
Biohacker und Kalifornien
Auch andere Dinge: Den Sommer 2014 verbrachte ich mit Biohackern unter der Sonne Kaliforniens. Legendary Einstiegssatz auch. Jedenfalls. Für ein paar Wochen tourte ich mit einen versprengten Bastlern durch das Land, auf der Flucht vor Behörden und Konservativen mit Knarre in der ausgebeulten Jeans, und saß mit ihnen in kaputten Garagen, wo Löcher in den Decken klafften, und Tim schnitt sich den Unterarm auf und schob sich ohne Narkose seine ausgebaute iPhone-Platine hinein.
Ich kann nur sagen: Die Panik, die wir beide verspürten, als die Batterieflüssigkeit nachts in seinem Arm auslief, werde ich nie wieder vergessen. Die Docs bei Cyberpunk haben auch so Labore, aber alles wirkt maximal steril und harmlos. Meine jährliche Zahnsteinreinigung erscheint mir da schlimmer.
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