Steigende Stimmung

Von belerad · 13. Januar 2023 ·
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  1. Die letzten Tage und Wochen in der Türkei hatten mich schon sehr gebeutelt und nach dem letzten Tag war ich mit den Nerven wahrlich am Ende angekommen. Dennoch wollte ich nicht aufgeben und hatte meine nächsten Ziele fest im Blick, mit der Hoffnung, dass es endlich wieder aufwärts geht.


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    Ein positiver Start


    Nachdem das Fahrrad wieder voll bepackt war und ich es mit den Platten auf die Straße geschoben habe, wurde mir erst bewusst, dass ich schon wieder 80km schieben musste. Ich hoffte, dass sich auf dem Weg wenigstens eine Tankstelle befand, an der ich den Reifen wieder aufpumpen konnte. Aber soweit kam es gar nicht. Kaum hatte ich die ersten paar Meter auf dem Teer hinter mir, hielt 100m vor mir schon das erste Auto an. Der Fahrer stieg aus, winkte mir kurz zu, stellte 5 kleine Flaschen eiskaltes Wasser auf die Straße und fuhr sogleich weiter.

    Das war zumindest schon mal ein positiver Anfang und kaum sammelte ich diese ein, hielt auch schon ein Kleintransporter direkt vor mir an. Zwei Männer stiegen aus, machten sofort, noch ohne mich zu fragen, den Kofferraum auf und luden schließlich mich und mein Rad ein. Eigentlich hätte die nächste Tankstelle genügt, jedoch war ich zu lethargisch, um gegen die Fahrer anzugehen, die mich bis nach Aksaray mitnehmen wollten und hatte auch einfach keine Lust mehr.


    Die Fahrt wurde noch wirklich lustig und letztendlich wurde ich mitten in der Stadt, direkt an einer Werkstatt ausgesetzt. Eigentlich hätte ich nur eine Pumpe benötigt, der Schlauch war ja bereits gefixt. Jedoch war der einzige Arbeiter in der Werkstatt ein sehr alter und gebrechlich wirkender Mann, der sich schon so viel Mühe gegeben hatte, das Fahrrad mit Gepäck mit auszuladen und auch so total freundlich war, dass ich ihn mal machen ließ.
    Das Fahrrad war schnell wieder fahrbereit und nachdem ich ihm 5€ für die Reparatur gegeben habe, bekam ich auch noch eine Luftpumpe geschenkt. Die hat zwar wiederum nicht lange gehalten und hat auch nicht mehr Druck als 3 bar in den Reifen bekommen, war aber vorerst besser als nichts und hat mich wieder auf bessere Gedanken gebracht.


    Aus Aksaray ging es dann weiter in Richtung des Hasan Dagi, einem erloschenen Vulkan mit 3.250 Höhenmeter, den ich unbedingt besichtigen wollte. Ehrlich gesagt, hatte ich an dem Tag noch vor, bis auf 2.000m hoch zu fahren, dort mein Zelt aufzuschlagen und am nächsten Morgen hoch auf den Gipfel zu steigen, weshalb ich mich im Supermarkt auch noch mit passenden Nahrungsmitteln dafür ausgestattet hab.


    Es kam aber wieder so, wie es kommen musste. War der bisherige Tag fast komplett in Sonne gehüllt, zogen sich die Wolken im Laufe des Tages immer weiter zusammen, sodass ich auf der kompletten Strecke, bis zum Fuße des Bergs, keinen einzigen Blick auf ihn werfen konnte. In Helvadere, der Ortschaft vor dem Einstieg angekommen, wurde es vom Osten her schließlich so dunkel, dass ich den Einstieg nicht mehr gewagt und mir ein paar Kilometer vor der Stadt einen Platz zum Zelten gesucht habe. Das war letztendlich auch die Richtige Entscheidung gewesen, da keine Stunde später ein richtig derbes Gewitter aufgezogen ist.


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    So verging der Traum der Besteigung des nicht sichtbaren Bergs aufgrund vom schlechten Wetter


    Ziemlich demotiviert und genervt aufgrund des Wetters, wachte ich am nächsten Morgen auf und konnte es zuerst nicht fassen. Ich öffnete das Außenzelt und hatte einen völlig klaren Blick auf den Hasan! Ein Anblick, der mich die ganzen Sorgen der letzten Wochen vergessen ließ und mir innerhalb eines Moments wieder zeigte, warum ich eigentlich unterwegs bin. Zwischenzeitlich hatte ich schon langsam ernsthafte Zweifel an meinem Unternehmen.

    Den Aufstieg hatte ich dennoch nicht unternommen, da dafür ein weiterer Tag drauf gegangen wäre. Aber ich war mit dem jetzigen Wetter und der Aussicht schon vollkommen zufrieden und glücklich.


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    Der nächste Morgen versprach endlich wieder Gutes!


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    Es geht endlich wieder aufwärts!


    Meine Route führte mich als nächstes in Richtung Nevsehir, wo ich bei Göreme die Feenkamine und Heißluftballons bewundern wollte. Was ich aber nicht wusste, diese außerirdisch wirkenden Landschaften Kappadokiens fingen schon weitaus früher an. Die ersten sind mir bei der kleinen Ortschaft Uzunkaya aufgefallen, wo es auch eine verlassene Stadt im Fels gab.


    In Selime, der nächsten Ortschaft, machte ich mich auch einmal auf Schusters Rappen auf den Weg zu den Kaminen. Musste aber feststellen, dass diese noch landwirtschaftlich oder gar als Wohnung genutzt werden. Da viele Hunde hier Wache geschoben haben, bin ich auch gleich wieder weiter, hab aber später noch einen Abstecher zur Kathedrale von Selime gemacht.


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    Feenkamine und Felsenstädte um Selime


    Ein paar Tage später kam ich am Morgen im Naturpark Göreme an und fand auch gleich den perfekten Platz, um das Zelt aufzubauen. Mitten im Canyon auf einer Erhöhung. Im Rücken die Burg von Uchisar und direkt vor mir das Göreme Tal, mit der Stadt zentral vor dem dahinter aufsteigenden Tafelberg liegend. Seitlich konnte ich aus noch knapp 70km Entfernung den Erciyes Dagi mit 3.900m sehen. Ein solch majestätischer Anblick, dass ich damit auch gleich das nächste Ziel im Kopf hatte.


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    Der Erciyes Dagi thront über den Horizont, immer noch 70km entfernt


    Im Laufe des Tages kam auch noch ein anderer Radfahrer aus Frankreich an, der sich neben mir niederließ. Wir hofften beiden, dass am nächsten Morgen die Ballons steigen werden, da die wie am heutigen Tag, je nach Wetter ausfallen können, und wachten auch schon um 5 Uhr früh auf um auch ja nichts zu verpassen. Er war ganz glücklich mit dem frischen Kaffee den ich zubereitet hab und zu dem ich ihn eingeladen hatte und so genossen wir den langsam kommenden Sonnenaufgang, zusammen mit den Heißluftballons, die bei bestem Wetter gestartet sind.

    Einfach wunderschön. Bessere Worte kann ich für diesen perfekten Moment einfach nicht finden und lass einfach die Bilder sprechen.


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    Ohne Worte


    Aber auch der magischste Moment ging einmal vorbei und Adrien verabschiedete sich von mir, um weiter nach Iraq zu fahren, während meine nächsten großen Ziele noch Armenien und Georgien waren. Aber vorerst ging es zum Erciyes!


    Majestätische Krönung

    Natürlich wieder nicht der schnellsten Route folgend, ging es am Fluss Kizilirmak entlang auf einsamsten Landstraßen weiter und fast durchgehend das Ziel vor Augen. Von meinen Gedanken wurde ich dann auf einmal von zwei Hunden aufgeschreckt, die bellend und mit zwei Stachelhalsbändern auf mich zugerannt sind. Aber nach einer Vollbremsung und ein paar beruhigenden Worten von mir war alles in Ordnung und ich hatte zwei Begleiter, die mich bis zum nächsten Traubenfeld begleiteten.
    Dort sah mich der Besitzer und winkte mich herbei. Er sprach weder englisch noch deutsch, verstand aber, dass ich aus Deutschland bin. Darauf rief er seine Tochter an, die gerade in Deutschland studiert und wir hatten noch ein lustiges triangle Gespräch und ich am Ende noch ein paar frisch geerntete Trauben.


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    Entlang am Fluss Kizilirmak, mit Blick aufs Ziel am Horizont.


    Am Abend kam ich dann völlig fertig auf dem nördlichen Plateau von Kayseri an und hatte mit einem perfekten Platz, mit Aussicht auf Stadt und Berge, wieder alles, was ich mir als radelnder Nomade nur wünschen kann.


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    Einfach nur Traumhaft


    Die Stadt ließ ich am nächsten Morgen mal wieder links liegen und es ging weiter. Ich versuchte zwar die Autobahnen zu vermeiden, aber desto weiter man in den Osten der Türkei vordringt, desto schlechter wird auch die Infrastruktur. Grob gesagt führt die Autobahn durch das Land und davon gehen immer wieder Straßen zu den einzelnen Ortschaften ab. Landstraßen, die parallel verlaufen, wurden immer rarer und umständlicher.
    So ging es letztendlich immer weiter auf geraden Strecken, auch wenn ab jetzt jeden Tag mindestens ein Pass auf dem Plan stand. Ständig ging es hoch auf über 2.000m und auch die Höhe des Plateaus, auf dem ich fuhr, stieg immer weiter an. Ansonsten verlief die Fahrt ab jetzt ziemlich ereignislos, was ich nach dem Ärger der letzten Wochen auch ganz angenehm fand.


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    Nicht so beeindruckend wie die Tage zuvor, aber Ruhe tut auch mal gut.


    Soulmade

    Kurz nach Sivas, auf dem Weg hoch zum Kizildag-Pass, hielt mal wieder ein Auto an, um mir eine Flasche Wasser zu schenken, etwas was in letzter Zeit immer häufiger passiert ist. Auch hielten immer wieder LKWs und Transporter an und fragten nach, ob sie mich mitnehmen können, da es steil wird. Ich sagte zwar immer wieder nein, fragte mich aber, wo diese netten Leute im Bereich Ankara waren, da hätte ich sie eher gebraucht.

    Aber zurück zum Wassergeber vom letzten Auto. Hier stand auf einmal jemand mit seiner Familie vor mir, mit dem ich mich schon nach dem Auswechseln von wenigen Sätzen so gut verstand, dass ich der Meinung war, ihn schon ewig zu kennen. Mert, ein junger, beginnender Student auf dem Weg zum ersten Semester an der Uni von Erzincan. Kurze Zeit später war ich bei ihm eingeladen. Auch wenn es noch drei Tage dauern sollte, bis ich ankam.


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    Ankunft in Erzincan und der darum liegenden Berglandschaft


    Als ich Erzincan erreichte und erst einmal nach einer günstigen Pension suchte, waren alle die ich abfuhr schon voll belegt, da gerade die neuen Semester begannen und alles voller Eltern waren, die ihre Kinder begleiteten. Ich wollte da schon aufgeben. Plötzlich stand überraschend Merts Vater mitten auf der Straße vor mir und nahm mich sogleich mit in die Pension, in der sie waren. So wurde ich auch gleich noch zum Frühstück eingeladen.

    Um es kurz zu machen. Kurze Zeit später wurde mir der Aufenthalt in der Pension für eine ganze Woche bezahlt, inklusive Frühstück und Abendessen. Selbst Mittagessen, was es in der Pension nicht gab, war mir nicht erlaubt selbst zu kaufen, noch meine Gastgeber einzuladen. So verbrachte ich eine absolut geile Woche mit wirklich großartigen Menschen, die ich jedenfalls wieder besuchen werde.


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    Auf Anhieb verstanden, super Typ!


    Sperenzchen mit dem Wetter

    Wieder aufzubrechen, fiel mir einerseits sehr schwer, aber dennoch war ich glücklich, wieder auf dem Sattel zu sitzen und neuen Abenteuern entgegen zu fahren. Die ließen aber auf sich warten. Zwar wurde ich auf der nächsten Etappe wieder öfter auf Wasser, Trauben oder gar zum Essen eingeladen und auch ein platter Reifen war dabei, aber letztendlich war der Weg bis nach Erzurum ein sehr ruhiger, aber eben auch angenehmer.


    Mir Erzurum anzuschauen hab ich schon abgebrochen, nachdem ich nach den ersten paar Kilometern durch die Vorstadt schon so häufig in Automassen stand, dass ich die Lust darauf verlor und gleich wieder auf die Autobahn Richtung Ardahan abgebogen bin. Zwischenzeitlich bin ich auch schon auf einer Standardhöhe von fast 2,000m angekommen.


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    An der nächsten Tagen wurde die Landschaft auch wieder interessanter. Neben klippenhaften Bergen und tiefer gelegenen Tälern die ich durchfuhr, wurde die Landschaft auch immer lehmiger. So leuchteten Berge und Täler immer häufiger in allen möglichen Farben von Lehm. Rottöne, Ocker und Gelbtöne, bis hin zu Braun und Grau war alles dabei und gab der ansonsten kargen Landschaft einen ganz eigenen Reiz, der mir sehr gefallen hat.


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    Anders aber dennoch wunderschön präsentierte sich nach Erzurum die Lehmlandschaft


    In Aksar, wo ich noch bei gutem Wetter mein Zelt aufgeschlagen habe, war es dann soweit und ein Wetterumschwung ist gekommen. Zwar hatte ich bis dahin schon immer häufiger ein paar frischere, nicht-T-Shirt-Tage, aber nach dem Aufwachen waren es nicht nur weit unter 10°C, sondern es regnete und wollte zumindest bis Mittag auch nicht aufhören. Als ich schließlich aus dem Tal, bis hoch auf das Plateau von Göle auf 2.000m gekommen bin, musste ich meine Route erstmal ändern. Am Horizont konnte ich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder Schnee erkennen und das genau auf meinem Weg. Darauf hatte ich keine Lust und nach einem verdienten Kebab in der Stadt, ging es dann auf der nördlichen Route, ohne Regen, aber bei beißend kalten Seitenwind weiter.

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    Ab und zu muss man auch durch ekelhaftes Wetter


    Von der Entfernung wäre es kein Problem gewesen, an diesem Tag noch bis nach Ardahan zu kommen. Das Wetter grätschte hier aber wieder rein, indem es am frühen Nachmittag anfing stark zuzuziehen. Von Süden bis Westen war der ganze Himmel dicht mit schwarzen Turmwolken, die nichts Gutes verhießen und der Wind hat inzwischen so sehr zugenommen, dass ich Probleme hatte mit dem Bike eine gerade Linie zu fahren oder gar auf der Straße zu bleiben.

    So brach ich ab und baute mein Zelt im relativen Schutz einiger Hügel, kurz vor dem Dörfchen Yigitkonagi auf und hatte anschließend eine der Nächte meines Lebens, als ein richtig schweres Gewitter direkt über mein Zelt hinweg gezogen ist und alles versucht hatte, dieses auch herauszureißen und es Mitternachts gefühlt öfters Hell als Dunkel war.

    Ich fühlte mich einfach großartig und richtig lebendig!


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    Das Wetter zog sich extrem schnell zusammen und es wurde eine recht extreme Nacht auf 2.300m


    Dennoch verbrachte ich die nächste Nacht in einem Hotel in Ardahan, das hatte ich wirklich nötig.


    Der letzte Abschnitt der Türkei brach schließlich an und ging auch gemütlich weiter bis nach Cildir. Dort gab ich noch meine letzten türkischen Lira aus und zeltete ein letztes Mal am gleichnamigen See. Am nächsten Morgen ging es dann noch einmal einen Pass hoch und mit bester Laune auf der anderen Seite wieder hinab zum Aktassee und dem Grenzübergang nach Georgien.

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    Die letzten Kilometer in der Türkei


    Fazit Türkei

    Zum Abschluss der Türkei möchte ich noch einmal sagen: Es ist in dem Land viel schief gelaufen. Sei es gesundheitlich, oder auf Seite der “Hardware”. Dennoch muss ich jetzt im Nachhinein meine negativ behaftete Meinung, die ich nach einem lange vergangenen Urlaub in Antalya von diesem Land hatte, komplett revidieren. Die Türkei war das bis jetzt schönste Land auf der Reise, egal ob ich dabei auf Menschen, Landschaft, Essen oder die Kultur schaue. Ich habe dieses Land mit allem drum und dran in mein Herz geschlossen. Ich liebe die Türkei und werde ganz sicher wiederkommen.

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    Über den Autor

    belerad
    Baujahr 1982, 30 Jahre Videospielgeschichte und jetzt Abstinent, gehe ich auf Weltreise und versuche Menschen mitzunehmen, die neben dem Zocken, auch auf wirkliches Abenteuer Interesse haben.

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