Als ein freudiges Wiedersehen kann man die namensgebende Rückkehr der Obra Dinn nicht bezeichnen. Das Schiff der Ostindischen Handelskompanie verschwindet im Jahr 1802 auf einer Fahrt rund um das Kap der Guten Hoffnung und taucht erst fünf Jahre später wieder auf. Als Geisterschiff. Alle an Bord sind tot. Nun schlüpfen wir in die Rolle eines nicht ganz normalen Versicherungsangestellten, der herausfinden soll, was zur Hölle auf der Obra Dinn passiert ist.
Ein Versicherungsangestellter? Da werden Erinnerungen an das erste Spiel aus der Feder von Lucas Pope wach. In Papers, Please hat er uns in die Haut eines Grenzbeamten gesteckt, der in die beklemmenden Mühlen eines diktatorischen Regimes gerät. Den Kniff, bürokratische Arbeit als eine Art faszinierend-schreckliches Puzzle zu inszenieren, wiederholt Pope zwar nicht eins zu eins, aber Return of the Obra Dinn hat mit Papers, Please doch etwas gemeinsam: Es ist erneut ein Ausnahmespiel, das mal wieder beweist, welche Kunst Videospiele sein können.
Gameplay schlägt Grafik
Mit Kunst meinen wir nicht den Stil von Return of the Obra Dinn. Klar hat die monochrome Retro-Optik ästhetisch ihren unbestreitbaren Reiz, aber die hochgradig stilisierte Grafik ist im Grunde Blickfang, Geschmackssache oder vielleicht einfach nur ein Mittel zum Zweck des Andersseins, des Herausstechens aus der Masse. Der Stil ist eine minimalistische Anspielung an alte Computersysteme (mit Grafikoptionen die zum Beispiel »Commodore 1084« oder »Macintosh« simulieren) und es ist beeindruckend, wie Ereignisse, Schauplätze oder Charaktere durch so wenige Pixel lebendig werden.
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Die Kunst von Return of the Obra Dinn, die wir meinen, liegt aber woanders - nämlich in den genialen Gameplay-Ideen, die eine spannende Detektivgeschichte auf eine verflixt schlaue und erfrischende Art und Weise erzählen.
Aber der Reihe nach: Schon nach ein paar Schritten an Deck des Geisterschiffs entdecken wir ein Skelett, und sobald wir vor den Überresten stehen, zückt unser Versicherungsermittler seine Taschenuhr. Dieses Werkzeug wird Memento Mori genannt und mit einem Klick beginnen sich seine Zeiger wild zu drehen. Der Bildschirm wird schwarz und wir hören einen Streit.
Jemand fordert den Kapitän auf, die Tür zu seiner Kajüte zu öffnen. Das Wortgefecht eskaliert und plötzlich stehen wir vor einem Standbild des Grauens: Ein Mann hat eine Pistole abgefeuert, die Kugel zerfetzt den Hals seines Opfers. Die Zeit steht still und wir können uns in dieser eingefrorenen Szene frei bewegen.
Sherlock Holmes an Deck
Dies ist der erste Teil unserer Ermittlungsarbeit: Über unsere Uhr springen wir direkt zum Todeszeitpunkt von Personen, deren Überreste oder geisterhafte Schemen wir auf der Obra Dinn entdecken. Der zweite Teil unserer detektivischen Tätigkeit findet in einem Buch statt, das wir per Tastendruck jederzeit öffnen können. Es ist Protokoll und Krimi in einem. Anfangs enthält es Schiffskarten, Zeichnungen von Szenen an Bord und eine Aufstellung der Crew und Passagiere. Dahinter folgen leere Seiten, die sich durch unseren Spielfortschritt langsam mit den unglaublichen Ereignissen an Bord der Obra Dinn füllen.
Unser Ziel ist es, zu jedem Todesfall herauszufinden, wie das Opfer gestorben ist. Wer hat wen umgebracht und wie? Beim genannten Beispiel hat also der Kapitän jemanden erschossen. Warum, das müssen wir in weiteren Szenen und mit Hilfe unseres Buches erschließen. Trägt das Opfer vielleicht eine bestimmte Uniform oder hat es einen markanten Akzent? In welchem Umfeld ist der Tote auf den Zeichnungen abgebildet, die vom Schiffsleben erhalten sind?
Mit solchen Details können wir etwa anhand der Passagierliste das mögliche Opfer eingrenzen. Wenn wir drei Todesfälle richtig angeben, also aus einer Liste an Namen und Todesursachen die richtige Kombi auswählen, ist das ein erster Etappensieg, denn dann ändern sich die betreffenden Einträge im Buch von handschriftlichen Notizen zu Drucklettern. Das heißt wir lagen richtig und im Buch scheinen neue Fragmente der Geschichte auf.
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