Seit einigen Jahren (und besonders stark seit einer Mehrwertsteuerbefreiung) steigt das Angebot und der Verkauf von Balkonkraftwerken. Sogar Lebensmitteldiscounter und Baumärkte verkaufen die Mini-Solaranlagen für Balkon, Terrasse und alle anderen Flächen, die sich mit PV-Modulen bestücken lassen und die Preise sind für einfache Anlagen bei unter 200 Euro angekommen, mit zwei PV-Modulen sind es unter 300 Euro.
Ich habe mir in den letzten Jahren zahlreiche Balkonkraftwerke und vor allem die einzelnen Bestandteile dieser Sets genau angeschaut und getestet. Dabei sind mir einige Punkte aufgefallen, die in vielen Artikeln zum Thema meiner Ansicht nach oft zu kurz kommen.
Balkonkraftwerke sind fast wie PCs: Auf die Komponenten kommt es an
Oft höre ich die Frage, welches Balkonkraftwerk ich denn empfehlen könne. Dabei gibt es das Balkonkraftwerk eigentlich gar nicht. Es gibt verschiedene Basiskomponenten, aus denen diverse Anbieter ihre eigenen Balkonkraftwerke basteln. Wobei die Anbieter gar nicht basteln, sie legen nur die Bauteile zusammen und verkaufen es als funktionsfähiges Bundle.
Ganz wie beim Gaming-PC könnt ihr daher auch einfach die Einzelteile kaufen und selbst zusammenstecken. Und wo schon der Zusammenbau eines Computers keine Raketenwissenschaft ist, wird es beim Balkonkraftwerk sogar noch einfacher: Es sind tatsächlich nur ein paar Stecker zusammenzustecken. Und außerdem bekommt ihr so ein Set auch als Komplettangebot nicht fertig zusammengeschraubt.
Mein Tipp daher: Kauft keine Balkonkraftwerk-Sets, kauft die einzelnen Teile wenn sich damit ein Preisvorteil ergibt. Vor allem die Sets von Markenherstellern wie Ecoflow sind mitunter überteuert, einige Hersteller nehmen dabei für die Solarmodule schon einmal stark überzogene Preise mit in die Berechnung.
Solarmodule und Wechelrichter sind extrem preiswert
Bezüglich der Solarmodule gibt es gute Nachrichten: Die hierzulande angebotenen Panels sind durch die Bank weg hochwertig genug für den Alltagseinsatz. Die Effizienz schwankt nur im Bereich weniger Prozentpunkte, selbst wenn ihr günstige Module verwendet.
Und es geht noch weiter mit den guten Nachrichten, nämlich beim Preis. Kostete ein Modul mit 400 Watt Peakleistung vor ein paar Jahren noch 250-300 Euro, sind es heute nur noch 60-100 Euro. Module aus europäischer oder gar deutscher Produktion allerdings sind immer noch teurer.
Die zweite wichtige Komponente ist der Wechselrichter und auch dieses Bauteil ist günstig geworden bei gleichzeitig immer weiter steigender Qualität und Ausstattung. 600/800-Watt-Modelle von Markenherstellern wie Hoymiles oder Ecoflow bekommt ihr bereits für um die 100 Euro.
Ecoflow erlaubt euch sogar den Anschluss eines (hauseigenen) Akkus direkt am Wechselrichter und berücksichtigt in der App die legale Nutzung mehrerer Wechselrichter und entsprechender Menge an Solarmodulen.
Allerdings würde ich euch von den ganz besonders preiswerten Noname-Modellen abraten - diese neigen dazu, die Garantiezeit nur mit Glück zu überstehen und können unter Umständen auch ein reelles Brandrisiko darstellen. Von teil sehr eingeschränkter Leistungsfähigkeit ganz zu schweigen.
Entwicklungshilfe: Diese Kabel sind wichtig fürs Balkonkraftwerk
Was ihr dann noch braucht sind eigentlich nur noch Kabel und Montagematerial für die Solarmodule. Sollen die Panels weiter vom Wechselrichter entfernt stehen, benötigt ihr entsprechend lange Solarkabel, die üblicherweise mit einem MC4-Stecker bestückt sind.
Falsch machen könnt ihr da wenig, ein Kabelquerschnitt von 4mm² reicht bei Kabellängen bis 15 Metern vollkommen aus, darüber oder falls ihr auf Nummer Sicher gehen wollt, gibt es aber auch Kabel mit 6mm².
Ebenfalls nötig ist ein Stromkabel zum Verbinden mit der Steckdose, meist mit einem sogenannten Betteri-Anschluss beim Wechselrichter und Schuko oder Wieland auf der anderen Seite. Zwar hat der Bundestag bereits die legale Nutzung normaler Schuko-Steckdosen auf den Weg gebracht, die Normierung durch den VDE fehlt aber noch, ebenso wie bei den 800 Watt Einspeiseleistung statt der bisher erlaubten 600 Watt.
Aber selbst der oft sehr strenge VDE sieht mittlerweile zumindest inoffiziell nur noch wenige Gründe für spezielle Einspeisesteckdosen (meist mit sogenanntem Wieland-Stecker). Wechselrichter wie von Ecoflow haben übrigens bereits alle nötigen Kabel mit dabei.
Montagematerial für die Panels ist sehr individuell, das kauft ihr also eh am besten unabhängig und speziell an eure Gegebenheiten angepasst. Einfache Aluwinkel für die Montage auf flachen Oberflächen gibt es ab 30 Euro, achtet aber bitte auf eine ausreichende Beschwerung oder Befestigung am Untergrund um nicht beim nächsten Sturm böse Überraschungen vorbeifliegen zu sehen.
Solar auf dem Balkon oder Garagendach
Die letzten Solarangebote von Aldi und Lidl waren geschickt von den Unternehmen platziert: Die beiden Discounter haben gleichzeitig Balkonsolarangebote gestartet, die sich trotzdem nicht gegenseitig behindert haben.
Während Lidl auf ein herkömmliches Set mit starren Solarmodulen und Powerstream-Wechselrichter zu einem sehr niedrigen Preis gesetzt hat, gab es bei Aldi ein Set mit flexiblen Solarmodulen, dafür aber fast doppelt so teuer. Doch warum dieser Unterschied?
Wollt ihr das Set an eurem etwas höher gelegenen Balkon anbringen, eignen sich starre Module weniger gut. Sie bieten zwar mehr Leistung bei geringerem Preis, wiegen aber auch recht viel und stellen beim Sturz eine nicht unerhebliche Gefahr dar.
Ungefährlicher und oft auch von Vermietern gefordert sind Flexi-Module, die unter drei Kilogramm wiegen und im Zweifel eher davonsegeln. Diese lassen sich deutlich leichter und auch flexibler montieren, allerdings benötigen sie mehr Platz pro erzeugtem Watt.
Wichtig vor dem Kauf: Wie viel Energie verbrauche ich eigentlich?
Bei Balkonkraftwerken gehen viele Käufer nach dem Motto viel hilft viel
vor. Und das ist, abgesehen von den höheren Kosten und dem Platzbedarf durch zusätzliche Solarpanels auch durchaus okay oder zumindest nicht schädlich.
Effektiver ist es aber, vor der Anschaffung des Balkonkraftwerks zu schauen, wie hoch die persönliche Grundlast eigentlich ist. Also der Stromverbrauch, der immer anfällt, beispielsweise durch Router, Standbygeräte, Kühlschrank, etc.
Tatsächlich werden die wenigsten von euch wohl durchgehend volle 800 Watt verbrauchen, zumindest nicht nachmittags wenn die Sonne am schönsten scheint. Schule, Uni, Arbeit und andere Verpflichtungen sorgen bei den meisten wohl dafür, dass die Wohnung nachmittags eher wenig Strom verbraucht.
Meistens ergibt sich eine Grundlast von unter 300 Watt, was auch mit kleinen und günstigen Sets erreichbar ist und die Wohnung in eurer Abwesenheit autark versorgen kann.
Mit einem klassischen 600-Watt-Balkonkraftwerk wäre dann noch Puffer für wochenendliche Zocksessions mit Solarstrom. Und mit einer Überbestückung mit den günstig gewordenen Solarpanels lässt sich die Grundlast auch bei Bewölkung eher erreichen. Dafür braucht ihr nicht einmal einen stärkeren Wechselrichter weil dabei mehrere Panels parallel an einen Eingang gesteckt werden.
Geht also am besten vor dem Kauf mit einem Energiemessgerät eure dauerhaft laufenden Geräte ab und addiert die angezeigten Wattzahlen, damit ihr eure Grundlast kennt und entsprechend die Anschaffung planen könnt.
Ausrichtung der Solarmodule
Ein Punkt, den Balkonnutzer schwer beeinflussen können, ist die Ausrichtung der Solarmodule. Wollt ihr aufgrund von Arbeits- oder Lehrzeiten bevorzugt Vormittags und Abends selbsterzeugten Strom nutzen, solltet ihr die Solarpanels nach Ost und West ausrichten – dort geht die Sonne auf und unter. Den meisten Ertrag über den Nachmittag erzeugt eine Ausrichtung gen Süden. Habt ihr einen Nordbalkon, sieht es eher schlecht aus.
Das gilt auch, wenn der Platz für die Solarmodule zwischendurch verschattet wird. Es bringt euch wenig, wenn der Ertrag genau dann einbricht, wenn ihr ihn gerade brauchen könnt. Gegen Schatten lässt sich wenig machen, allerdings produzieren moderne Module auch dann noch Strom, wenn eine Hälfte komplett verschattet ist.
Die sogenannten Halbzellenmodule sind mittig getrennt, so dass die obere oder untere Hälfte verschattet sein kann ohne den Ertrag der anderen Hälfte zu minimieren (wie es früher der Fall war). Ein Schatten, der quer auf beiden Halbseiten liegt, lässt den Ertrag aber stark abfallen.
Interessanterweise hat ausgerechnet Stiftung Warentest genau das getestet und daher so gut wie alle Balkonkraftwerke negativ bewertet.
Dabei handelt es sich um eine technische und alle gängigen Module treffende Beeinträchtigung. Fast, als würden wir bei GameStar einen Gaming-PC in einer auf 50 Grad erhitzten Klimakammer testen und uns dann beklagen, dass die Lüfter überfordert und laut sind.
Nutzt ihr zusätzlich einen Akku, raten wir übrigens pauschal zur Südausrichtung der Module, damit die Panels in der sonnenreichen Tageszeit besonders viel Energie in den Speicher schaufeln.
Kauft vor Ort, Lieferung ist teuer
Ein meist erst zu spät bedachter Punkt beim Kauf eines Balkonkraftwerkes sind die Versandkosten. Vor allem Sets mit starren und damit sperrigen Solarmodulen sind nicht einfach per DHL zu transportieren, üblicherweise bekommt ihr dafür Besuch von einer Spedition. Wollt ihr also Versandkosten in teils dreistelliger Höhe vermeiden, kauft ihr am besten zumindest die Solarmodule vor Ort und holt sie im Idealfall selbst ab.
Das schränkt die Auswahl an Komplettsets natürlich weiter ein, beim Kauf von Einzelteilen hingegen könnt ihr so sehr flexibel auf Angebote reagieren.
Der uns eher als PC-Hardwarehändler bekannte Shop Alternate beispielsweise berechnet pro Panel 19,99 Euro Versand und ist damit einer der günstigsten Händler in Bezug auf Versand. Bei Preisen ab 60 Euro pro Panel ergibt das aber trotzdem einen prozentual recht hohen Anteil Versand bei den Gesamtkosten.
Mein Fazit zu Stecker-Solaranlagen
Ein Balkonkraftwerk lässt sich in vielen Wohnungen realisieren und ist meist unkompliziert in Betrieb genommen. Die Ersparnis ist allerdings von eurer Planung und den Zeiten abhängig, an denen ihr den erzeugten Strom selbst nutzen könnt.
Im Idealfall können es über 200 Euro im Jahr sein, wobei sich das Balkonkraftwerk bereits nach unter zwei Jahren amortisieren kann. Achtet daher auf die Garantiezeiten des Wechselrichters, weniger als 8-10 Jahre würde ich nicht akzeptieren. Panels selbst degradieren sehr langsam und sind auch noch vielen Jahren noch gut nutzbar.
Ich selbst habe die Anschaffung meines Balkonkraftwerkes nie bereut, im Gegenteil. Ein paar Dinge hätte ich gerne vorher gewusst, aber das muss euch ja nicht kümmern, schließlich teile ich sie euch in diesem und anderen Artikeln mit. Während in meiner Umgebung viele Leute über ihre immer weiter steigende Stromrechnung klagen, sinkt mein Verbrauch sogar mit jeder Optimierung der Solaranlage. Und das ohne, dass das alles sehr teuer gewesen wäre.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Dein Kommentar wurde nicht gespeichert. Dies kann folgende Ursachen haben:
1. Der Kommentar ist länger als 4000 Zeichen.
2. Du hast versucht, einen Kommentar innerhalb der 10-Sekunden-Schreibsperre zu senden.
3. Dein Kommentar wurde als Spam identifiziert. Bitte beachte unsere Richtlinien zum Erstellen von Kommentaren.
4. Du verfügst nicht über die nötigen Schreibrechte bzw. wurdest gebannt.
Bei Fragen oder Problemen nutze bitte das Kontakt-Formular.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Nur angemeldete Plus-Mitglieder können Plus-Inhalte kommentieren und bewerten.