Um kilometerweit entfernte Menschen zu belauschen, braucht ihr keine Superkräfte, ihr müsst nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein

Den dumpfen Klang verschneiter Landschaften kennen viele auch in Deutschland - im Gegensatz zu diesem Schallphänomen, das bei sehr niedrigen Temperaturen auftreten kann.

Während es in Deutschland gerade vielerorts regnet und die Menschen im Süden Europas aktuell oft mit extrem hohen Temperaturen leben müssen, widmen wir uns zur Abwechslung mal einem Phänomen, das mit hoher Kälte zu tun hat - und mit Schall.

Es geht dabei zwar nicht um Technik, sondern um Wissenschaft beziehungsweise um (Wetter-)Physik. Sehr interessant finde ich das Phänomen aber dennoch - und vielleicht geht es euch ja so wie mir und ihr kanntet es noch nicht.

Darüber gestolpert bin ich in einem Artikel der National Post zu einem der wohl kältesten Tage in der Geschichte Kanadas. Stolze -63 Grad Celsius waren es am 3. Februar 1947 im kleinen Dorf Snag. Es liegt ganz im Westen des Landes beziehungsweise in Yukon, nahe der Grenze zu Alaska.

Kein Tag, um Fahrrad zu fahren, weder mit einem normalen Rad noch mit einem Model ohne Räder wie aus diesem Artikel: Bricht mit allen Regeln: Dieses Fahrrad hat keine Räder - und funktioniert trotzdem.

Die Folgen extremer Kälte

Das Dorf Snag in Yukon (Kanada) im Jahr 1947. Der zweite Mann von links in der hinteren Reihe hat die extreme Temperatur damals vor Ort gemessen. Sein Name war Gordon Toole (Quelle: canadahistory.ca) Das Dorf Snag in Yukon (Kanada) im Jahr 1947. Der zweite Mann von links in der hinteren Reihe hat die extreme Temperatur damals vor Ort gemessen. Sein Name war Gordon Toole (Quelle: canadahistory.ca)

Im wahrsten Sinne des Wortes hautnah erlebt (und gemessen) hat die extrem niedrigen Temperaturen damals ein Mann namens Gordon Toole, der bei der Wetterstation vor Ort gearbeitet hat. Ihr seht ihn auf dem Foto oben.

Wie in einem Bericht vom 4. Februar 1947 auf der ersten Seite der Zeitung The Gazette zu erfahren ist, war er 21 Jahre alt und zu dem Zeitpunkt seit vier Jahren in Yukon.

Ein Gang von 20 bis 30 Metern in der -63 Grad kalten Luft bedeutet eine gefrorene Nase, so Toole gegenüber der Zeitung aus Montreal. Keine sehr einladende Vorstellung.

Solche Werte kommen glücklicherweise nur in bestimmten Gegenden der Erde überhaupt vor, auch wenn Temperaturextreme immer häufiger auftreten. Handelsübliche Thermometer können sie dementsprechend oft nicht messen, hier ist stattdessen gerne bei etwa -50 Grad Schluss.

Neben den extremen Auswirkungen auf den Körper kann bei solchen Niedrigwerten aber noch ein anderes Phänomen in Bezug auf den Schall hinzukommen, wie im Bericht der Gazette folgendermaßen zu lesen:

In dem gefrorenen, schneebedeckten Land wird der Raum durch Schall verdichtet. Es ist kein Akt der Magie, ein Gespräch zu belauschen, das sechs Kilometer entfernt in einem Dorf stattfindet.

Oder anders ausgedrückt: Wenn es sehr kalt ist, hört man Geräusche teilweise aus viel größerer Distanz als sonst. Der Grund dafür ist eine so genannte Inversionswetterlage, bei der sich oberhalb der sehr kalten Luft am Boden eine Schicht mit wärmerer Luft befindet.

Ein Stück Zeitgeschichte: Der Artikel aus The Gazette zu den rekordverdächtig niedrigen Temperaturen in Yukon 1947. Ein Stück Zeitgeschichte: Der Artikel aus "The Gazette" zu den rekordverdächtig niedrigen Temperaturen in Yukon 1947.

Der Schall wird langsamer, aber er reicht weiter

Zu so einer Inversion kann es im Winter bei klarem Wetter kommen. Der Boden und die tiefgelegenen Luftschichten kühlen dann in der Nacht besonders schnell aus und die kalte Luft bleibt durch ihre hohe Dichte am Boden, während die etwas wärmeren Luftschichten darüber weniger schnell auskühlen.

Die Geschwindigkeit des Schalls nimmt durch kältere Luft zwar ab. Die unterschiedliche Dichte der kälteren und wärmeren Luftschichten sorgt aber bei einer Inversionswetterlage dafür, dass der Schall seine Richtung ändert und weiter getragen werden kann.

Stark vereinfacht ausgedrückt könnt man also sagen, dass die Schallwellen von der wärmeren Luftschicht weiter oben wieder nach unten hin abprallen und vom Boden aus wieder nach oben zurück und so weiter, was ihre Reichweite erhöht.

Das zeigt auch die folgende Grafik der Webseite WeatherOps.com:

Schall trifft auf eine Inversionswetterlage und reicht dadurch weiter. (Quelle: WeatherOps.com David Moran) Schall trifft auf eine Inversionswetterlage und reicht dadurch weiter. (Quelle: WeatherOps.com / David Moran)

Gegenüber der National Post und in Bezug auf die Erzählungen Tooles beschreibt das der kanadische Klimatologe David Phillips so:

Eine Temperaturinversion führte dazu, dass sich die Schallwellen zurück zum Boden gebogen haben, anstatt nach oben zu entweichen. Die Besucher des Flughafens hörten deutlich das Bellen der Hunde in der Stadt und die Gespräche der Einwohner, als wären sie ganz in der Nähe und nicht fünf Kilometer entfernt.

Dasselbe Prinzip liegt auch zugrunde, wenn wir uns im Sommer auf dem Wasser befinden und feststellen, dass Geräusche hier weiter getragen werden. Denn das Wasser heizt sich langsamer auf als der Boden und die Luftschichten direkt darüber können dementsprechend klar kühler sein als weiter oben.

Ich selbst habe dieses Phänomen in Bezug auf Kälte noch nicht erlebt, auch da es in Deutschland glücklicherweise nur selten sehr eisig wird. Lasst mich aber gerne wissen, ob es euch da anders geht und ob ihr das Prinzip dahinter bereits kanntet - ich bin schon gespannt auf eure Kommentare dazu!

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