Wie sich ausgerechnet CPU-Gigant Intel in eine Sackgasse manövriert hat

Vor allem der Core i9 14900K ist wohl betroffen, aber auch schnelle Modelle der 13. Intel-Generation. Wir gehen dazu auf Spurensuche.

Aktuelle Berichte legen die Vermutung nahe, dass Intel bei seinen neuesten Prozessoren zu viel Leistung mit der Brechstange herausholen wollte, aber die Lage ist noch nicht ganz klar. (Bild: stock.adobe.com - Drobot Dean) Aktuelle Berichte legen die Vermutung nahe, dass Intel bei seinen neuesten Prozessoren zu viel Leistung mit der Brechstange herausholen wollte, aber die Lage ist noch nicht ganz klar. (Bild: stock.adobe.com - Drobot Dean)

In den vergangenen Tagen und Wochen treten immer Berichte und YouTube-Videos über den Core i9 14900K auf, die das aktuelle Flaggschiff von Intel in ein schlechtes Licht rücken.

Dem Hersteller wird unter anderem vorgeworfen, ein nicht ausreichend stabiles Produkt auf den Markt gebracht zu haben, das schneller als für CPUs üblich mit Defekten zu kämpfen hat.

Zumindest in dieser Form ist das für Intel ungewöhnlich, ist man doch seit Jahrzehnten der erfolgreichste Player auf dem CPU-Markt. Das gilt sowohl für die globalen Umsatzverhältnisse als auch auf kleinerer Skala, etwa bei den monatlichen Steam-Hardwareumfragen.

Im Folgenden findet ihr eine sachliche und neutrale Einordnung der Ereignisse und wir begeben uns anhand der bislang bekannten Informationen auf die Spurensuche.

Intel Core i9 14900K: Eine Chronik der Ereignisse

Am 31. Oktober 2023 erblickte mit dem Core i9 14900K das (noch) aktuelle CPU-Flaggschiff von Intel das Licht der Welt. Das Feedback fällt gemischt aus:

Intel packt die Brechstange aus: Was kann der Core i-14000? Video starten 18:55 Intel packt die Brechstange aus: Was kann der Core i-14000?

Rund anderthalb Monate später treten erste Nutzerberichte über abstürzende 14900K-CPUs auf. Ein Reddit-Nutzer im Overclocking-Subreddit vom 19. Dezember 2023 erklärt, dass deren Prozessor in Multicore-Stresstests wie Blender oder Cinebench den Geist aufgibt.

Der Rechner zeigte einen Bluescreen of Death mit der Fehlermeldung »clock_watchdog_timeout« an.

Gelöst werden konnte das Problem schlussendlich durch die Limitierung der beiden P-Kerne auf 5,7 statt 6 GHz sowie eine TDP-Begrenzung auf 253 Watt.

Insbesondere die letztgenannte Zahl werdet ihr noch häufiger im Verlauf dieses Artikels lesen.

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Am 23. Februar 2024 werden erste Newsportale aufmerksam. Tom's Hardware schreibt von einer »wachsenden Anzahl an Nutzern, die Probleme mit dem i9 13900K [und i7 13700K] melden«.

Davon ausgehend, dass die 13. CPU-Generation in den relevanten Eckdaten weitgehend identisch zur 14. CPU-Generation ist, lohnt sich hier ein Blick in die Ursachenforschung.

  • Auch bei der 13. Generation gibt Intel die Grundleistungsaufnahme (auch PL1 genannt) mit 125 Watt sowie die maximale Turbo-Leistungsaufnahme (auch PL2 genannt) mit 253 Watt an.
  • Je nach BIOS-Einstellungen kann diese PL2-Limitierung von der CPU aber locker gesprengt werden, etwa wenn Mainboards ab Werk gar kein Limit festsetzen. In solchen Fällen ziehen sich die betroffenen Prozessoren eigenständig Leistungen weit jenseits der 300 Watt.

Mit PL1 ist die dauerhafte TDP gemeint, die unter Last anliegen kann, während PL2 gewissermaßen Reserven sind, mit denen ausgewählte Performance-Kerne auf ihr Maximum hochtakten können.

Im Fall von Tom's Hardware reichte es immerhin aus, dieses Powerlimit auf Werte rund um 275 Watt zu setzen. Auch das Einstellen des Ampere-Limits, das Undervolten oder das Heruntertakten der CPU sollen helfen können.

Intels erste Reaktion: Ändert eure BIOS-Einstellungen

Ende April gibt es erste Äußerungen seitens Intel zur Thematik. Boardpartner erhielten »empfohlene BIOS-Einstellungen«, die auf Mainboards aufgespielt werden sollen, um die Stabilität zu verbessern.

Diese BIOS-Einstellungen hat Intel zunächst an Boardpartner als Empfehlung versandt. Diese BIOS-Einstellungen hat Intel zunächst an Boardpartner als Empfehlung versandt.

Der wichtigste Punkt in der obigen Tabelle ist der »ICCMAX«-Parameter.

  • In einfachen Worten ist das die Stromstärke, die sich eine CPU ziehen darf.
  • Dieser Wert wurde von Intel in der BIOS-Empfehlung als »variabel« festgelegt, dürfe aber 400 Ampere niemals überschreiten.
  • Intel betont in der Tabelle auch, dass man mit diesen Empfehlungen »die Stabilität verbessern will, während man weiter nach der Ursache forscht und nicht, um Intels Partnern die Schuld zuzuweisen«.

Wer bekommt den schwarzen Peter?

Von der obigen Aussage rückt der CPU-Hersteller nur wenige Tage später ein Stück weit ab. In einer Pressemitteilung, die unter anderem auf dem Portal Wccftech veröffentlicht wurde, wird Intel wie folgt zitiert:

Zwar wurde die Ursache bisher nicht identifiziert, doch die Mehrheit der Meldungen stammt von Nutzern mit Overclock-fähigen Mainboards.

[...] Intel bittet System- und Motherboard-Hersteller, den Endbenutzern ein Standard-BIOS-Profil zur Verfügung zu stellen, das den von Intel empfohlenen Einstellungen entspricht.«

Intel via wccftech

Dieses Standard-BIOS-Profil landete kurz darauf auf den ersten Mainboards, etwa Asus und Gigabyte. MSI hingegen veröffentlichte zum damaligen Zeitpunkt nur eine Anleitung, wie Nutzer selbst in den Einstellungen zu Werke gehen können.

Im Juni keimte kurze Hoffnung auf, dass die Ursache gefunden wurde. Etwaige Berichte, dass ein falscher Wert im Mikrocode-Algorithmus, der zur eTVB-Funktion gehört für die Probleme hauptverantwortlich sei, dementierte Intel umgehend.

Zwar wurde hier tatsächlich ein eTVB-Bug entdeckt, der zur Instabilität beitragen könnte; dieser war jedoch nicht die Hauptursache, wie das Unternehmen gegenüber Tom's Hardware erklärt.

Das i9-exklusive eTVB-Feature beschreibt den »Enhanced Thermal Velocity Boost«. Mit diesem können einzelne Prozessorkerne über die maximale Turbofrequenz hinausgehen, wenn genügend Leistungsreserven vorhanden sind.

In der Zwischenzeit hat Intel eine aktualisierte Richtlinie herausgegeben, die das oben gezeigte Standard-BIOS um weitere Spezifikationen ergänzt.

Mit dabei: Die 253 Watt, die Board-Hersteller als Performance-Einstellungen ab Werk einführen sollen. Dieser Wert gelte sowohl für PL1 als auch PL2, um die bestmögliche Leistung zu erreichen.

Die aktuellen Vorgaben seitens Intel. Die aktuellen Vorgaben seitens Intel.

Die Kritik wird immer lauter

In den vergangenen Tagen wird die Kritik an Intels Core i9 14900K lauter. Ein erstes Entwicklerstudio plant, sich von der gesamten CPU-Generation abzuwenden und greift Intel mit scharfen Worten an.

Äußerungen von Alderon Games

Das für »Path of Titans« bekannte Studio Alderon Games bezichtigt den Hersteller in einem Blogeintrag gar, »defekte CPUs zu verkaufen«:

In den letzten 3–4 Monaten haben wir beobachtet, dass CPUs, die anfangs gut funktionierten, mit der Zeit schlechter werden und schließlich ausfallen. Die Ausfallrate, die wir bei unseren eigenen Tests beobachtet haben, liegt bei fast 100 %, was darauf hindeutet, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die betroffenen CPUs ausfallen.

Alderon Games

Trotz aller BIOS- und Firmware-Updates bleibe die CPU-Instabilität sowohl bei Spielern von Path of Titans als auch den hauseigenen Servern bestehen. Angesichts dessen hat sich das Entwicklerstudio entschieden, sämtliche Rechenzentren auf AMD-Varianten umzustellen.

Äußerungen von Digital Extremes

Weit weniger dramatisch äußert sich Warframe-Entwickler Digitale Extremes im hauseigenen Forum, wenngleich nicht minder kritisch. Demzufolge trat eine Vielzahl an Spielcrashes in einer Nvidia-Komponente (nvgpucomp64.dll) auf.

Der gemeinsame Nenner der betroffenen PCs waren verbaute i9-Prozessoren, die zusammen mit den beiden weiteren genannten Core i7-13700K(F) und i7-14700K(F) insgesamt 96,7 Prozent dieser Absturzberichte stellten.

Auch hier empfehlen die Entwickler, nach einem aktuellen BIOS-Update Ausschau zu halten.

Wo steht der Core i9 14900K heute? Eine Zusammenfassung

Spätestens seit den Aussagen der beiden Entwicklerstudios zum Intel Core i9 14900K wird das Thema immer dringlicher in der Tech-YouTuber-Szene behandelt.

Unter anderem haben die Kanäle Gamers Nexus, Hardware Unboxed und Level1Techs in teils stundenlangen Videos mit Herstellern und Entwicklern gesprochen sowie eigene Nachforschungen angestellt.

Im Folgenden geben wir euch eine Zusammenfassung über die Probleme der Intel-Prozessoren sowie deren Ursachen und mögliche Lösungen, die in den genannten Videos aufgezeigt wurden.

Denn die in der obigen Chronik aufgelisteten Stabilitätsprobleme sind nicht das Einzige, womit der Core i9 zu kämpfen hat – und zum jetzigen Stand der Dinge wohl noch zu kämpfen haben wird.

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Nicht nur Privatkunden sind betroffen

Die Problematik rund um den Core i9 14900K ist nicht nur für euch als Privatnutzer relevant. Auch zahlreiche Serverbetreiber oder Boardpartner sollen sich besorgt über den Zustand des Intel-Prozessors zeigen.

So werden etwa interne Quellen bei Lenovo, HP oder Dell mit einer Einschätzung zitiert, laut der »zwischen 10 und 25 Prozent der CPUs ein Problem haben«.

  • Ein namentlich nicht genannter Serverprovider hat das Angebot an 14th-Gen-Servern komplett eingestellt, bis eine Stabilisierung vorliegt.
  • Ein weiterer zeigt sich wenig zuversichtlich, dass die bisherigen Übergangslösungen wie dem Deaktivieren von Effizienz-Kernen, den BIOS-Updates oder dem Kompletttausch des Prozessors langfristigen Erfolg bringen.

Auch Boardpartner zeigen sich verunsichert – nicht nur aufgrund sinkender Gewinnaussichten bei der gesamten Generation.

Die Kommunikation mit Intel selbst wird ebenfalls kritisiert; teils sollen Medien vor den Boardpartnern Updates zu den BIOS-Spezifikationen erfahren.

Intel biete auch kein Programm zu einer Verifizierung dieser Spezifikationen an.

Instabilität führt zu einem weiteren Problem: »Degrading«

Eine von »Actually Hardware Overclocking« (AHOC) verbreitete Annahme nimmt sich der Theorie an, dass die beiden leistungsfähigsten Kerne der i9-Prozessoren Schuld an den Ausfällen haben.

Diese fordern enorm hohe Spannungen an, wie unter anderem Igor's Lab ermitteln konnte:

  • i9 14900K/KF/13900KS: 1.4V-1.5V
  • i7 14700K/KF: 1.32V-1.43V
  • i5 14600K/KF: 1.2V-1.4V

Bei allen Prozessoren tritt zwangsläufig aufgrund von Elektromigration das Phänomen der Alterung auf.

In der Regel dauert dieser Prozess Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, doch aufgrund der erhöhten Spannung der i9-Kerne scheint das auch als »Degrading« bekannte Problem extrem beschleunigt zu werden.

Demzufolge könnten die Spannungen der P-Kerne so hoch sein, dass diese auch Auswirkungen auf den Ringbus der CPU haben – genauer gesagt: Der Ringbus leidet vermehrt unter Degrading und führt zu den Ausfällen.

Der Ringbus ist unter anderem für die Kommunikation zwischen den Einzelteilen des Prozessors zuständig, etwa den Kernen und dem L3-Cache.

Ein möglicher Beleg für die Degrading-Theorie

Für die Mutmaßung sprechen zwei Symptome:

  • So wurde bereits mehrfach festgestellt, dass auch die Deaktivierung der E-Kerne Abhilfe schaffen konnte. Wären ausschließlich die P-Kerne betroffen, würde dieser Ansatz keinen Erfolg bringen.
  • Zeitgleich wurde in einer namentlich nicht genannten Datenbank zu Spielabstürzen eine auffällige Häufung an IO-Fehlern bei i9-Prozessoren festgestellt – die insbesondere durch Ringbus-Degrading entstehen können.

In der obigen Aufzählung der verschiedenen Spannungen ist zudem zu sehen, wie Intels i7- und i5-Prozessoren mit deutlich kleineren Werten hantieren.

Folglich tauchen diese auch nur in deutlich geringerem Maße, wenn überhaupt, in den Problemberichten wie in Warframe auf.

Stimmt die Degrading-Idee also, lässt sich auch nachvollziehen, wieso es sich bei den Instabilitätsproblemen um ein nahezu reines i9-Problem handelt und nicht um eines, das sich um die gesamte 14. oder sogar 13. Generation dreht.

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Noch offene Frage

Es ist fraglich, inwieweit das Degrading-Problem - sofern es stimmt - sich tatsächlich beheben lässt.

Denn ob dieses als »gelöst« gelten kann, ist ein relatives Maß; einen vorgeschriebenen Wert, wie lange CPUs zwingend durchhalten müssen, gibt es in diesem Kontext nicht.

Ein möglicher Fix hängt entsprechend auch davon ab, was als »akzeptable Lebensspanne« für den Chip gilt.

Apropos möglicher Fix: Eine naheliegende Idee ist es laut AHOC, einfach die Spannungen zu senken. Doch damit gehen auch Konsequenzen einher, mit denen weiteres Ungemach droht.

Müssen die Spannungen um zu hohe Werte gesenkt werden, hält der Tech-YouTuber es für »unmöglich, die Boost-Taktungen halten zu können«. Seinen Schätzungen zufolge müssten etwa 500 Megahertz von dieser Taktung »wegrasiert werden, um die Spannungen in den Griff zu bekommen«.

Wir bitten Intel um Stellungnahme

Im Zuge unserer Recherchen kontaktieren wir auch Intel und bitten um eine Stellungnahme zu der Berichterstattung rund um die Probleme des Core i9 14900K und anderer aktueller Top-CPUs der Firma.

Sollte sich Intel uns gegenüber dazu äußern, erfahrt ihr es bei GameStar Tech.

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