Nightmare of the Wolf: Kann ein Witcher-Film ohne Geralt funktionieren?

In Form eines Animes erzählt Netflix die Vorgeschichte des Hexer-Mentoren Vesemir. Was taugt der Film? Wir haben ihn uns angeschaut und sagen euch unsere Meinung.

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Vesemir war nicht immer grau, alt und mürrisch - das beweist der Netflix-Anime sehr anschaulich. Vesemir war nicht immer grau, alt und mürrisch - das beweist der Netflix-Anime sehr anschaulich.

Witcher-Fans müssen sich noch bis zum 17. Dezember 2021 in Geduld üben. Dann startet die zweite Staffel der Netflix-Serienadaption und die Geschichte rund um Geralt, Yennefer und Ciri wird weitererzählt. Wenn ihr aber wie ich nicht so lange ohne den Anblick ekliger Monstervisagen auskommen könnt, solltet ihr euch den von Netflix produzierten Anime »Nightmare of the Wolf« unbedingt anschauen - zumindest, wenn ihr als Fan eher an Vesemir als an den anderen Figuren und der Rahmenhandlung interessiert seid.

Der Autor: Sören hat sich einst durch die katastrophale Releaseversion des ersten Witcher-Spiels gekämpft und war dennoch hin und weg: die spannende Handlung, die zahlreichen Monster, die facettenreichen Charaktere sowie der düstere Look, der jede Ecke der Spielwelt durchzieht - einfach herrlich! Seitdem hat er alle weiteren Spiele und die komplette Buchreihe gleich mehrfach verschlungen, um irgendwann selbst ein starker Hexer wie Geralt zu werden. Seine Frau lässt ihn aber nicht mit Schwertern spielen. Immerhin: Das mit den weißen Haaren erledigt sich bereits von selbst!

Um was geht es in Nightmare of the Wolf?

Eine Reise in die Vergangenheit: Der Film spielt lange vor den bekannten Abenteuern des Hexers Geralt. Zu Beginn sehen einen noch recht jungen Vesemir, der einen Knaben vor einem Waldschrat rettet. Eigentlich ein normaler Hexer-Auftrag. Doch schnell wird klar, dass mit diesem Monster etwas nicht stimmt, und Vesemir begibt sich auf die Suche nach Antworten, die ihm schlussendlich auch die Abgründe seines eigenen Ordens offenbaren werden.

Im weiteren Handlungsverlauf spielt der Film mehrfach mit den Zeitebenen, wodurch wir einiges über Vesemir erfahren. Diese Struktur bringt aber auch einige Nachteile mit sich, aber dazu gleich mehr. Von diesen Problem seht ihr im rasant inszenierten Trailer aber noch nichts, also viel Spaß beim Anschauen:

Nightmare of the Wolf: Neuer Trailer zum Witcher-Film um Vesemir Video starten 2:16 Nightmare of the Wolf: Neuer Trailer zum Witcher-Film um Vesemir

Für wen ist Nightmare of the Wolf interessant?

Der Film ist nur was für Fans: Doch das liegt nicht etwa daran, dass der Film schlecht wäre, denn das ist er keineswegs. Es ist nur so, dass sich die Macher rund um Drehbuchautorin und Produzentin Lauren Schmidt Hissrich (die auch für die Netflix-Realserie verantwortlich ist) vor allem in der Mitte des Films zu sehr darauf verlassen, dass die Zuschauer bereits über die Grundsätze des Witcher-Universums im Bilde sind.

Warum sind die Hexer so gefürchtet? Welche Rolle spielen die einflussreichen Zauberinnen auf dem politischen Parkett? Warum ist die Festung Kaer Morhen so wichtig für die in der Welt verstreuten Hexer? Und warum bringt ein in der Badewanne Wein schlürfender Vesemir uns Fans zum Lachen?

Wer die Antworten auf derlei Fragen nicht kennt, kann zwar noch immer der Handlung gut genug folgen, um das Ende als halbwegs befriedigend zu empfinden. Dennoch könnte man an vielen Stellen kurz stolpern und mit einem Fragezeichen zurückgelassen werden.

Jetzt mit aufgezogener Fan-Brille: Einige Stellen in dem Film sind einfach nur klasse! Vom spektakulären Einstieg, an dem ich mich wie ein Zuschauer bei einer The Witcher 3-Quest gefühlt habe, über tiefere Einblicke in die Ausbildung angehender Hexer bis hin zur Antwort auf die Frage, warum Kaer Morhen zur Zeit der Spiele und Serie so eine marode Bruchbude ist.

Damit erfüllt der Film eines seiner Hauptziele mit Bravour: Er macht mir als Fan Lust auf mehr! Als der Abspann lief, hatte ich bereits GOG offen und den Download von The Witcher 1 gestartet, um endlich mal die Scoia'tel zu unterstützen. Wenn ein Film diesen Effekt erzielt, muss er einiges richtig machen.

Ob die zweite Staffel der Witcher-Serie die Fans ebenfalls glücklich machen kann, wird sich schon bald herausstellen. Alle Infos zur kommenden Staffel gibt's hier:

Stärken und Schwächen von Nightmare of the Wolf

Was mir gefallen hat

Der Film ist so schön wie die Weinberge von Toussant: Nightmare of the Wolf ist wundervoll gezeichnet und erinnerte mich an vielen Stellen an die ebenfalls auf Netflix erschienene Castlevania-Serie. Außerdem haben die Macher regen Gebrauch von den Gesetzmäßigkeiten eines Animes gemacht, sprich: Die Action-Sequenzen sind herrlich überdreht in Szene gesetzt, Vesemir und andere Figuren legen teils wahnsinnige Manöver hin - ein Fest für die Augen!

Die Atmosphäre ist dichter als Nekrophagen-Blut: Wer bei dem Wort »Anime« daran zweifelt, ob der Film die düstere, kalte Stimmung der Spiele, Bücher und Serie einfangen kann, darf beruhigt aufatmen. Nightmare of the Wolf versprühte für mich von Sekunde eins an den Geist der Vorlage. Egal ob Orte, Charaktere oder die explizite Gewaltdarstellung, hier kann man bei Witcher-Fans am meisten punkten.

Vesemir macht selbst Geralt Konkurrenz: Anfangs kommt Vesemir noch sehr überheblich rüber, fast schon unsympathisch. Das soll unser alter, liebgewonnener Mentor sein? In der zweiten Hälfte des Films steht daher die große Frage im Raum, ob und wie er der stolze Hexer wird, den die Fans kennen und lieben. Rückblickend eine durchaus gelungene Charakterentwicklung, die ich anfangs so nicht vorhersehen konnte.

The Witcher: Nightmare of the Wolf - Eindrücke aus dem Hexer-Anime ansehen

Was mir nicht gefallen hat

Das Tempo ist so holprig wie Wyzimas Straßen: Ich habe es oben bereits angesprochen, als es um das vorausgesetzte Wissen der Zuschauer ging. Der Film holpert mir strukturell in der Mitte etwas zu arg. Er springt zwischen Vesemirs Kindheit und Gegenwart hin und her, dazwischen gibt es Streitgespräche und Trinkszenen - konfus.

So nett diese Szenen für Fans wie mich auch sein mögen, wirklich vorangetrieben wird die Handlung dadurch nicht. Erst, als Vesemir zusammen mit einer Gefährtin aufbricht, wird der zu Beginn gesponnene Faden endlich wieder aufgenommen und der Film deutlich spannender. Kurze Zeit später ist er aber leider auch schon vorbei.

Die Nebencharaktere sind blasser als Yennefers Teint: Vesemir funktioniert wie erwähnt sehr gut, doch andere Figuren sind für mich viel zu lahm. Der König von Kaedwen? Ein klischeehafter Schönling, der nur sich selbst Aufmerksamkeit schenkt. Die Antagonistin des Films? Die offenbart erst ganz zum Schluss die nachvollziehbaren Gründe für ihren Hass auf die Hexer. Schade, denn dadurch wirkt sie den Großteil des Geschehens wie eine wilde Furie, die Hexer einfach total blöd findet.

Auch die zweite weibliche Hauptfigur des Films bleibt die meiste Zeit über eher blass, nur um für einen immerhin sehr gelungenen Twist herzuhalten. Hier hat man meines Erachtens über weite Strecken Potential liegen lassen, nur um im Finale noch genug Zunder übrig zu haben.

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