Kennt ihr die Wirtschaftssimulation Tourist? Dieses Spiel, in dem ihr als Reiseveranstalter Survival-Trips in den Dschungel anbietet, die Alpen mit Skipisten pflastert und Mittelmeerstrände mit Bettenburgen betoniert? Nie gehört? Kein Wunder, denn Tourist hat es nie gegeben - es hatte von Anfang an keine Chance, wurde brutal weggeschubst von einem Spiel, das zwar auch mit Wirtschaft und Strand und Meer zu tun hat, aber jeden gleich in seinen Bann zieht, der es anfasst. Sein schlichter Arbeitstitel: 1602.
1996 reisen Wilfried Reiter sowie die Brüder Martin und Albert Lasser, die Gründer des winzigen österreichischen Entwicklerstudios Max Design, zum deutschen Publisher Sunflowers nach Langen bei Frankfurt. Zwei Spiele stellen sie vor, von denen sie Sunflowers überzeugen wollen: Tourist, programmiert von Albert Lasser, und 1602, das Wilfried Reiter programmiert hat.
Jürgen Reußwig ist damals Projektleiter bei Sunflowers und weiß noch heute, wie 1602 sie sofort gepackt hat: »Es gab eine große, grüne Insel, man konnte schöne Häuser bauen, alles war gleich so lebendig, und man wollte einfach immer weitermachen.« Tourist hingegen ist trockener, es erinnert an Sim City und besteht aus Bauteilen, die man in die isometrische Landschaft setzt.
Vielleicht wäre auch das ein gutes Spiel geworden, wir werden es jedoch nie erfahren, denn Sunflowers entscheidet sich für 1602, das später den Titel Anno 1602 tragen wird. Es ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft zwischen Max Design und dem Publisher, um mal Humphrey Bogart zu zitieren. Das mag übertrieben klingen, trifft es aber gut - zumindest, bis es 2004 einfach nicht mehr weitergeht.
Der große Anno-Report
Unsere Anno-Historie war Teil der GameStar-Themenwoche zum 20. Anno-Geburtstag mit zahlreichen Artikeln und Videos. Zum 5. Geburtstag von Anno 1800 haben wir den großen Rückblick für euch aktualisiert. Dies hier ist der erste Teil des Reports.
Das Geld geht zur Neige!
Der Publishing-Vertrag mit Sunflowers rettet Max Design vor dem Aus, denn das Team ist damals total pleite, wie uns Wilfried Reiter heute erzählt. Die vorherigen Spiele des Studios haben sich zwar ordentlich verkauft, doch die Gründung einer Vertriebsniederlassung in Paderborn wird zum Groschengrab, das sogar die Einnahmen aus der 1994er-Wirtschaftssimulation Oldtimer verschlingt. »Uns ging es richtig schlecht, wir hätten fast die Rechte an unseren eigenen Spielen verloren. 1602 hätten wir niemals alleine stemmen können.«
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