Ich habe meine Frau betrogen. Ich muss das gleich an dieser Stelle offen so feststellen. Vielleicht habe ich auch die Redaktion übers Ohr gehauen, so sicher bin ich da nicht. Natürlich weiß ich, dass das nicht okay ist.
Die Geschichte geht so: An einem Wochenende fragte mich Redakteur Peter Bathge, ob ich je Anno gespielt hätte. Ich sagte nein. Daraufhin gab Peter mir ein bisschen zu freudig Anno 1800 samt aller sieben Millionen DLCs, und meinte, ich solle bitte einen Text darüber schreiben. Ob man als Anfänger noch reinkommen könne in das Spiel. Oder ob es einen mit allen Extrainhalten schlicht erschlägt. Das war natürlich eine Falle, warum sonst sollte er so beseelt sein von dieser Idee?
Drei Tage habe ich Anno 1800 ausprobiert. Ich habe Häuser in Rastern gezogen und geklont. Wirtschaftszweige schnell etabliert und in Windeseile satt-positive Bilanzen gehabt. Es war fordernd, okay, keine Frage. Aber es fehlte das, was Peter sich offensichtlich wünschte: die komplette Überforderung. Also kam ich auf eine Idee.
Barbara saß auf dem Sofa und strickte verloren an ihrem weinroten Pullover. »Liebling«, sagte ich. »Ich muss dir etwas zeigen.« Sie hob milde lächelnd den Kopf und meinte: »Grad keine Zeit.« Ich sagte: »Es dauert nur fünf Minuten!« Und da war dieses sauschlechte Gewissen.
Der Autor
Alexander Krützfeldt, 36, schreibt für Zeitungen und Magazine. Außerdem einmal im Jahr die Geburtstagseinladungen seiner Mutter. Mit Anno 1800 hat er gemerkt, warum er nie eine Modelleisenbahn besitzen oder mit dem Ernst eines Spätberufenen Oberstromleitungen fotografieren wird. Handwerklich ist er auch nur so mittelbegabt und die meisten seiner Fehler sind ihm bekannt (Foto: Jörg Singer).
Dieser Artikel erschien ursprünglich im März 2022. Aufgrund seiner großen Beliebtheit und Relevanz haben wir ihn leicht überarbeitet neu veröffentlicht. Außerdem passt er natürlich wunderbar in unsere aktuelle Anno-Themenwoche zum Jubiläum von Anno 1800. Mehr dazu lest ihr in der Ankündigung.
Die Erbsünde
Dazu muss man wissen, dass meine Frau Barbara Civilization ausschließlich auf episch spielt. Alles andere ist ihr zu hektisch. Gut, eine Runde dauert dafür dreieinhalb Monate, aber hey. Zeit ist kein Faktor. Sie startet auch neu, wenn es keine Zitronen gibt. Tundra besiedelt sie grundsätzlich nicht. Mir schoss deshalb sofort in den Sinn, dass sie das perfekte Versuchsobjekt für Anno 1800 wäre. Keine andere Person, die ich kenne, kann sich so hoffnungslos in Details verlieren.
Einmal haben wir Fahrräder in Trinidad geliehen, und der Mechaniker sagte noch, während er sich die Hände an einem Lappen abputzte, die Stadt sei so gebaut worden, dass Piraten, die vom Meer kommen, sich darin verirren, und Barbara so: hold my beer. Einmal bog sie falsch ab, und für den Rest des Tages war sie verschwunden.
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